Leitsatz
Ein kommunaler Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der eine Wasserversorgungsanlage zur Förderung und Abgabe von Trink- und Gebrauchwasser betreibt, ist bei richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 3 und 5 KStG Unternehmer.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 S. 1 KStG, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2, Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2, Abs. 5 Unterabs. 4, Art. 28 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Anhang F Nr. 12 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er betreibt eine Wasserversorgungsanlage zur Förderung und Abgabe von Trink- und Gebrauchwasser, das er ausschließlich an seine Mitglieder, die angeschlossenen Gemeinden und nicht an Endverbraucher liefert. Er verfügt auch nicht über ein eigenes Rohrleitungsnetz.
Er reichte eine USt-Erklärung für das Jahr 1996 ein, in der er zu seinen Gunsten einen Vorsteuerüberschuss errechnete.
Das FA stimmte der Erklärung mit der Begründung nicht zu, dass der Kläger kein Unternehmer sei, sondern eine hoheitliche Aufgabe erfülle. Es verwies auf das BFH-Urteil vom 30.11.1989, I R 79-80/86 (BStBl II 1990, 452), wonach ein Wasserverschaffungsverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts kein Unternehmer sei, wenn er das Wasser nicht an Endverbraucher liefere und es nicht durch ein eigenes Rohrleitungsnetz leite.
Das FG Nürnberg gab der Klage statt: Zu den Betrieben gewerblicher Art der juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehörten nach § 4 Abs. 3 KStG ausdrücklich u.a. diejenigen Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser dienten. Für die USt komme es nicht auf die Auslegung des Begriffs der Wasserversorgung durch den BFH für Zwecke der KSt an (FG Nürnberg, Urteil vom 17.04.2007, II 174/2004, Haufe-Index 1774195, DStRE 2007, 1518).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts als Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG tätig wird, ist in § 2 Abs. 3 UStG geregelt. Darin werden u.a. ihre "Betriebe gewerblicher Art" genannt und insoweit wird auf Vorschriften des KStG, nämlich § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG, verwiesen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH ist § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i.V.m. § 4 KStGgleichwohl nicht nach körperschaftsteuerrechtlichen, sondern nach umsatzsteuerrechtlichen und unionsrechtlichen Grundsätzen auszulegen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 15.04.2010, V R 10/09, BFH/NV 2010, 1574, unter II. 1. m.w.N., BFH/PR 2010, 383).
2. Gem. § 4 Abs. 3 KStG gehören zu den Betrieben gewerblicher Art u.a. auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser dienen.
Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL gelten Einrichtungen des öffentlichen Rechts in jedem Fall als Steuerpflichtige (Unternehmer) in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern ihr Umfang nicht unbedeutend ist. In Anhang D Nr. 2 sind u.a. genannt die "Lieferungen von Wasser". Dabei wird nicht danach unterschieden, ob die Lieferung an Endverbraucher und über eigenes Rohrleitungsnetz erfolgt.
Danach ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung Unternehmer, wenn sie Wasser in nicht unbedeutendem Umfang liefert.
3. Dem steht nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der 6. EG-RL die Tätigkeiten, die nach Art. 28 der 6. EG-RL von der Steuer befreit sind, weiterhin als Tätigkeiten behandeln können, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Zu den genannten Tätigkeiten gehört zwar auch die Lieferung von Wasser durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts (Art. 28 Abs. 3 Buchst. b i.V.m. Anhang F Nr. 12 der 6. EG-RL). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland von der Ermächtigung, steuerfreie Tätigkeiten als im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegend zu behandeln, Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH, Urteil vom 14.04.2010, V R 10/09, BFH/NV 2010, 1574, unter II.5. d, BFH/PR 2010, 383).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.03.2011 – XI R 65/07