Leitsatz
1. Eine nach § 309 Abs. 1 AO erlassene und aufrechterhaltene Pfändungs- und Einziehungsverfügung kann nicht dahin eingeschränkt werden, dass dem Drittschuldner unter Rangwahrung gestattet wird, bis auf Widerruf an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen und keine Beträge mehr einzubehalten.
2. Aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Beschlagnahme und Pfandrecht ist ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung ausgeschlossen. Für eine solche Ruhendstellung der Pfändungsverfügung besteht in § 309 Abs. 1 AO keine Rechtsgrundlage.
Normenkette
§ 309 Abs. 1, § 257, § 258, § 316 Abs. 3 AO, § 765a, § 843 ZPO
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut. Aufgrund eines Vollstreckungsauftrags einer Krankenkasse wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge des Vollstreckungsschuldners pfändete das HZA näher bezeichnete Ansprüche des Vollstreckungsschuldners gegen die Klägerin und ordnete die Einziehung der gepfändeten Ansprüche bis zur Höhe des geschuldeten Gesamtbetrags an. Mit Drittschuldnererklärung erkannte die Klägerin die Forderung an.
In der Folgezeit gewährte das HZA dem Schuldner einen Vollstreckungsaufschub gegen Teilzahlungen. Zugleich schränkte es mit Schreiben an die Klägerin vom 30.6.2014 die Pfändungs- und Einziehungsverfügung in der Weise ein, dass es die Klägerin bat, bis auf Widerruf keine Beträge mehr aufgrund der Pfändung einzubehalten. Dabei wies es darauf hin, dass die Pfändungsverfügung aufrechterhalten und in jedem Fall gegenüber später zugestellten Pfändungen bzw. Abtretungen vorrangig bleibe.
Auf den Einspruch der Klägerin hob das HZA die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf und wies darauf hin, dass damit die Verfügung vom 30.6.2014 erledigt und dem Einspruch abgeholfen sei. Die daraufhin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hatte Erfolg. Das FG stellte fest, dass die auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bezogene Verfügung des HZA vom 30.6.2014 rechtswidrig gewesen sei (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.1.2016, 11 K 2973/14, Haufe-Index 9157694, EFG 2016, 438).
Entscheidung
Der BFH hat ebenso wie die Vorinstanz die Fortsetzungsfeststellungsklage als zulässig angesehen und hat aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen die Revision des HZA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Wird im Vollstreckungsverfahren das Bankkonto des Vollstreckungsschuldners gepfändet und unterhält dieser kein Pfändungsschutzkonto (§ 850k ZPO), bedeutet der Entzug der Verfügungsbefugnis über das Kontoguthaben und der damit verbundene Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr eine erhebliche Einschränkung, die den Vollstreckungsschuldner veranlassen kann, sich mit der Vollstreckungsbehörde auf eine Ratenzahlung zu einigen.
Wird Ratenzahlung vereinbart, kann darin eine Stundung des fälligen Betrags gesehen werden, die dazu führt, dass die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken ist, wobei bereits ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen bestehen bleiben, soweit sie nicht ausdrücklich aufgehoben werden (§ 257 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 3 AO).
Stundung zu gewähren, lag allerdings im Streitfall nicht in der Zuständigkeit des HZA als Vollstreckungsbehörde, weshalb anzunehmen ist, dass das HZA dem Schuldner lediglich Vollstreckungsaufschub gewähren wollte. Insoweit ist anerkannt, dass die Vollstreckungsbehörde das Vollstreckungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 258 AO einstweilen beschränken (i.S.v. zeitweise anhalten) und dem Schuldner Gelegenheit geben kann, den Betrag in Raten zu begleichen, ohne dass die Fälligkeit der Forderung berührt wird.
Der BFH hat gleichwohl nicht untersucht, ob im Streitfall die Voraussetzungen des § 257 Abs. 1 Nr. 4 AO (Stundung) oder des § 258 AO (Unbilligkeit) vorlagen, da jedenfalls dem HZA keine rechtliche Grundlage zur Seite stand, unter Suspendierung des gegenüber dem Drittschuldner (Bank) angeordneten Arrestatoriums dem Vollstreckungsschuldner die Verfügungsbefugnis über sein Bankkonto wieder einzuräumen, gleichzeitig aber die Pfändungsverfügung aufrechtzuerhalten.
Nach Ansicht des BFH steht § 309 Abs. 1 AO einer solchen "Ruhendstellung" der Pfändung entgegen. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Legaldefinition der Pfändungsverfügung ist das Arrestatorium neben dem an den Vollstreckungsschuldner gerichteten Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium), unverzichtbarer Bestandteil der Pfändung einer Geldforderung. Mit der Aufhebung des Arrestatoriums durch die Vollstreckungsbehörde wird daher zugleich die Pfändung aufgehoben und nicht lediglich beschränkt.
Eine "Ruhendstellung" der Pfändung lässt sich auch nicht auf § 316 Abs. 3 AO i.V.m. § 843 ZPO stützen, da nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der BFH angeschlossen hat, der Pfandgläubiger nicht befugt ist, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung de...