Leitsatz
1. Erklärt der Steuerpflichtige, eine Ansparrücklage gem. § 7g Abs. 3 EStG vorzeitig – d.h. bereits mit Wirkung für das Folgejahr ihrer Bildung – auflösen zu wollen, so dokumentiert er damit eindeutig, dass er von der geplanten Investition Abstand genommen hat. Damit entzieht er einer nur teilweisen Fortführung der Rücklage bis zum Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 7g Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 EStG die rechtliche Grundlage.
2. Das Recht zur vorzeitigen Auflösung der Ansparrücklage kann längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden, auf welche sich die Auflösung auswirken soll.
Normenkette
§ 7g Abs. 3 bis 6 EStG
Sachverhalt
Der Kläger bildete im Rahmen der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG zum 31.12.1997 eine Ansparrücklage gem. § 7g Abs. 3 und 6 EStG i.H.v. 20.000 DM. In seiner Gewinnermittlung für das Folgejahr 1998 löste er diese Rücklage nicht (vorzeitig) auf. Das Finanzamt setzte die ESt 1998 mit bestandskräftig gewordenem Bescheid auf 0 DM fest. Der Kläger löste die Rücklage auch in seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 1999 nicht auf, obwohl er die ursprünglich geplante Investition bis zum Ablauf dieses Jahres nicht vorgenommen hatte. Demgegenüber meinte das Finanzamt, dass die Ansparrücklage zum 31.12.1999 aufzulösen sei. Es erhöhte daher im angefochtenen ESt-Bescheid 1999 den Gewinn um 20.000 DM zzgl. eines Zuschlags von 2.400 DM.
Dagegen wendete der Kläger ein, dass er die Rücklage i.H. eines Teilbetrags von 19.628 DM zzgl. eines (anteiligen) Gewinnzuschlags von 1.177 DM nachträglich zum 31.12.1998 auflöse. Dem stehe die zwischenzeitlich eingetretene Bestandskraft des ESt-Bescheids 1998 nicht entgegen, weil die ESt 1998 selbst unter Berücksichtigung dieser nachträglichen Teilauflösung der Rücklage nach wie vor 0 DM betrage. Klage (vgl. EFG 2003, 1605) und Revision des Klägers blieben erfolglos.
Entscheidung
Zwar verfüge der Steuerpflichtige, solange er die geplante Investition, hinsichtlich derer die Rücklage gebildet worden sei, noch nicht getätigt habe, über die Möglichkeit, die Ansparrücklage vorzeitig – d.h. bereits zum Ende des ersten Wirtschaftsjahrs nach ihrer Bildung – aufzulösen. Dies setze jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige seine Investitionsabsicht nach der Rücklagenbildung aufgegeben habe. Deshalb könne die vorzeitige Auflösung der Rücklage nicht auf einen Teil der Rücklage beschränkt werden, sondern umfasse zwangsläufig die volle, für das jeweilige einzelne Investitionsvorhaben gebildete Rücklage.
Der danach im Streitfall allein in Betracht kommenden Vollauflösung der Rücklage mit Wirkung zum 31.12.1998 habe die Bestandskraft des ESt-Bescheids 1998 entgegengestanden, weil eine solche vollumfängliche Auflösung der Rücklage zu einer Erhöhung der ESt 1998 geführt hätte.
Hinweis
1. Nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG muss der Steuerpflichtige eine am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhandene Ansparrücklage i.S.v. § 7g Abs. 3 EStG Gewinn erhöhend auflösen. Dem Steuerpflichtigen steht es nach Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. BMF, Schreiben vom 25.2.2004, BStBl I 2004 337, 340, Tz. 28) frei, diese Rücklage auch vorzeitig – bereits zum Ende des ersten Wirtschaftsjahrs nach ihrer Bildung – aufzulösen. Im Besprechungsurteil hat der BFH m.E. zutreffend entschieden, dass eine solche vorzeitige Auflösung der Ansparrücklage nicht auf einen Teil der Rücklage beschränkt werden kann, sondern zwangsläufig die volle, für das jeweilige einzelne Investitionsvorhaben gebildete Rücklage umfasst.
2. Wie andere zeitlich unbefristete Wahlrechte kann der Steuerpflichtige auch die in § 7g Abs. 3 ff. EStG vorgesehenen Optionen nur bis zum Eintritt der Bestandskraft der betreffenden Steuerfestsetzung ausüben. Dies gilt nach dem Besprechungsurteil jedenfalls dann, wenn sich die Wahl zur vorzeitigen Auflösung der Ansparrücklage auf die Steuerfestsetzung auswirkt, d.h. zu einer Erhöhung der Steuer führt. Ob diese Grundsätze auch für den Fall Anwendung finden, dass die nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung erstmals getroffene Wahl zur vorzeitigen Auflösung der Ansparrücklage die Steuerfestsetzung nicht berührt (so die Vorinstanz), hat der BFH in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. M.E. dürfte diese Frage zu verneinen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.9.2005, X R 32/03