Leitsatz
1. Der Transport von Personen, die körperlich oder geistig behindert sind und auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen sind, fällt unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG.
2. Ein Fahrzeug ist dann i.S.d. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet, wenn es im Zeitpunkt der Beförderung nach seiner gesamten Bauart und Ausstattung speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt ist. Unerheblich ist, ob das Fahrzeug zum Zweck einer anderweitigen Verwendung umgerüstet werden kann.
Normenkette
§ 4 Nr. 17 Buchst. b UStG , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. p der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger nahm u.a. Transporte von Rollstuhlfahrern sowie Liegendtransporte von Patienten und aus medizinischen Gründen liegend zu transportierenden Personen vor mit Fahrzeugen, die für die Beförderung kranker und verletzter Personen besonders eingerichtet (durch Halterungen für Rollstühle, spezielle Verstärkung der Bodenplatte, absenkbare Rampe, besondere Befestigungsvorrichtungen usw.) waren. Die Umrüstung zum Serienzustand war aber nicht ausgeschlossen. Das FA – und anschließend das FG – meinte, das stehe der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG entgegen. Auch seien Behinderte keine "kranken Personen".
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte Erfolg. In den Fahrzeugen befanden sich – im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Beförderung – u.a. eine Bodenverankerung für vier Rollstühle, eine Auffahrrampe sowie eine seitlich ausfahrbare Trittstufe, mithin spezielle Einrichtungen für den Transport von Kranken und Verletzten. Das genügte. Das zum Investitionszulagenrecht ergangene BFH-Urteil vom 16.5.2002, III R 17/00 (BStBl II 2002, 667) hat für das UStG wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Gesetze keine Bedeutung.
Hinweis
Nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG sind steuerfrei die Beförderungen von kranken oder verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind. Die Vorschrift bezweckte eine Gleichstellung der privaten Krankentransportgewerbe mit der öffentlichen Hand, den Krankenhäusern und den Wohlfahrtverbänden, die mit ihren Krankenbeförderungen bereits steuerfrei sind. Die Vorschrift "beruht" auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. p der 6. EG-RL, der eine Steuerbefreiung für "die von ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen durchgeführten Beförderungen von kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen" vorsieht.
Auch der Transport von Personen, die körperlich oder geistig behindert sind und auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen sind, fällt unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Eine Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser regelwidrige Zustand von Dauer oder vorübergehender Natur ist.
Ob neben den Leistungen, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG erfüllen, mit den betreffenden Fahrzeugen auch steuerpflichtige Beförderungen vorgenommen werden, ist lediglich für die Besteuerung dieser Fahrten von Bedeutung.
"Besonders eingerichtet" ist ein Fahrzeug, wenn es – durch die vorhandenen Einrichtungen – die typischen Merkmale eines Krankenfahrzeugs aufweist, z.B. Liegen, Spezialsitze. Zu den Krankenfahrzeugen gehören danach nur solche Fahrzeuge, die nach ihrer gesamten Bauart und Ausstattung speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt sind.
Beachten Sie: Bei Fahrzeugen, die nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind (§ 4 Abs. 6 PBefG), ist stets davon auszugehen, dass sie für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet sind. Dass Fahrzeuge zum Zweck einer anderweitigen Verwendung wieder umgerüstet werden können, ist unerheblich.
Nicht unter die Befreiung fallen Beförderungen mit serienmäßigen Pkw, die (lediglich) mit blauem Rundumlicht und Einsatzhorn (sog. Martinshorn) ausgerüstet sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.8.2004, V R 45/03