Leitsatz
1. Umsatzsteuerrechtlich liegt eine einheitliche Leistung nicht allein deshalb vor, weil Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden.
2. Die Beförderung eines Fahrgasts von dessen Wohnung zum Bestimmungsort und zurück durch denselben Taxiunternehmer ist umsatzsteuerrechtlich keine einheitliche (einzige) Beförderungsleistung mit einer Gesamtbeförderungsstrecke, sondern ist in zwei getrennte Beförderungsleistungen aufzuteilen, wenn das Taxi nach Durchführung der Hinfahrt zum Bestimmungsort nicht auf den Kunden wartet, sondern der Kunde später – sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholzeitpunkt oder aufgrund erneuter telefonischer Bestellung – erneut mit einem Taxi am Bestimmungsort abgeholt und zum Ausgangsort zurückbefördert wird (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 24.10.1990, V B 60/89, BFH/NV 1991, 562).
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG 1993, § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1999
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Taxiunternehmen in einer kleineren Gemeinde, beförderte Patienten zu ihren Ärzten. Teilweise wartete sie auf das Behandlungsende (Wartefahrt), teilweise fuhr das Taxi weg und kam vereinbarungsgemäß bei Bedarf erneut für die Rückfahrt (Doppelfahrt).
Das FA meinte, alle Fahrten seien als einheitliche Leistung zu beurteilen, denn nicht nur in den Wartefällen sei die Rückfahrt von vornherein vereinbart. Die Krankenkassen hatten einen Abrechnungsmodus vereinbart. Für die Doppelfahrten wurde die "Leerfahrt" mit einem geringeren Betrag berechnet.
Das FG gab der Klägerin hinsichtlich der Doppelfahrten Recht.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück; die Würdigung des FG, bei den "Doppelfahrten" sei die Beförderung mit Erreichung des Zielorts abgeschlossen und die Beförderung des Kunden vom ursprünglichen Zielort "zurück" unabhängig davon zu beurteilen, sei möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hinweis
1. Für Beförderungen im Nahverkehr (unter 50 km) gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993 der begünstigte Steuersatz.
Die Mitgliedstaaten haben bei den Ermäßigungen einen Spielraum (hier Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3 der 6. EG-RL "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks"), müssen ihn aber unter Beachtung der Neutralität der USt ausfüllen. Die Regelung ist – soweit sie zwischen Nahverkehr und Beförderungen innerhalb einer Gemeinde unterscheidet, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nicht ohne Weiteres ist dagegen eine seit Jahren in § 28 Abs. 4 UStG versteckte Ungleichbehandlung mit der Beförderung von Personen in Schiffen zu rechtfertigen: Während in § 12 Nr. 10 UStG vom genehmigten Linienverkehr mit Schiffen und dem Fährverkehr die Rede ist, gilt jedoch – immer wieder verlängert, augenblicklich noch bis 31.12.2007, im Gesetzesentwurf des JStG 2008 ist aber bereits eine Verlängerung bis zum 31.12.2011 vorgesehen – nach Art 28 Abs. 4 UStG die Ermäßigung ohne Einschränkung für die Beförderung von Personen mit Schiffen.
2. Problematisch war im Besprechungsfall, ob der – vom FA wohl nicht ganz zu Unrecht unterstellte – einheitliche Vertrag ausreicht, Hin- und Rückfahrt beim Nahverkehr (unter 50 km) auch dann zu einer einheitlichen Fahrt (dann mehr als 50 km) zusammenzuschnüren, wenn das Taxi nicht auf den Kunden wartet, sondern bis zur erneuten Anforderung anderweitig eingesetzt wird.
Ob eine – einheitliche – oder mehrere Beförderungsleistungen vorliegen, ist nach den allgemein geltenden Grundsätzen zur Beurteilung von Leistungen, die aus mehreren Leistungsteilen bestehen, zu entscheiden. Deshalb rechtfertigt allein der Umstand, dass Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden, nicht die Annahme einer einheitlichen Leistung; auch eine Leistung liegt nicht schon deshalb vor, weil mehrere Leistungen demselben wirtschaftlichen Ziel dienen. Wenn das FG – wie hier – annimmt, aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters sei, wenn das Taxi nicht wartet und erneut der Unternehmer für ein Taxi angerufen wird, die Beförderung mit Erreichung des Ziels erst einmal abgeschlossen, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (Doppelfahrt). Anders – einheitliche Fahrt – dagegen aus der Sicht des Durchschnittsbetrachters, wenn das Taxi auf den Kunden wartet und dann weiterfährt (Wartefahrt).
3. Dass das Entgelt bei den Doppelfahrten i.d.R. unter Berücksichtigung der "Leerfahrt" kalkuliert wird, weil das Taxi möglicherweise zum weiteren Einsatz zu einem "Standplatz" zurückkehren muss, ist ohne Bedeutung. Leistung ist die Beförderung des Kunden zum Zielort. Die "Leerfahrt" ist nur Chiffre für die Entgeltermittlung. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Das ist der Betrag, den er für die Beförderung zum Zielort aufwenden muss, unabhängig davon, wie dieser – ob mit oder ohne vorheriges Einvernehmen darüber – kalkuliert worden ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2007, V R 18/05