Leitsatz
1. Ein Unternehmer, der aufgrund der Vorgaben des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 737 zahlungsgestörte Forderungen unter "Vereinbarung" eines vom Kaufpreis abweichenden "wirtschaftlichen Werts" erwirbt, erbringt an den Forderungsverkäufer keine entgeltliche Leistung.
2. Liegt beim Kauf zahlungsgestörter Forderungen keine entgeltliche Leistung an den Forderungsverkäufer vor, ist der Forderungserwerber aus Eingangsleistungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt.
3. Eine Rechnungsberichtigung lässt die Steuerschuld nach § 14c UStG nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung entfallen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 14c und § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999, Art. 2, 4 und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin hatte zahlungsgestörte Forderungen gekauft und im Kaufvertrag – infolge des BMF-Schreibens zur Umsetzung des MKG-Urteils – im Kaufvertrag die Berechnungsgrundlagen für den Kaufpreis wie auch den "wirtschaftlichen Wert" der Forderungen beziffert. Die Finanzverwaltung zog aus der "Einschränkung" im EuGH-Urteil ("wenn die Differenz … widerspiegelt") den Schluss, es liege dennoch im Streitfall eine wirtschaftliche Tätigkeit vor, weil die Klägerin – infolge des BMF-Schreibens vom 3.6.2004 betreffend die Umsetzung des EuGH-Urteils MKG – im Kaufvertrag vorsorglich einvernehmlich den "wirtschaftlichen Wert" beziffert hatte. Das FG gab der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Beurteilung als entgeltliche Factoring-Leistung durch das FA wandte, statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2008, 1 K 3682/05 U, Haufe-Index 1995000, EFG 2008, 887).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FA. Denn der EuGH hatte in Kenntnis aller Umstände – insbesondere auch des Inhalts des Kaufvertrags mit den dem BMF-Schreiben Rechnung tragenden vereinbarten "Kalkulationsgrundlagen" für den Kaufpreis – eine entgeltliche Leistung verneint, obwohl der BFH gerade für diesen Sachverhalt Zweifel am Vorliegen einer entgeltlichen Leistung und Abgrenzungsprobleme thematisiert hatte.
Die Zurückverweisung war erforderlich, weil nach dem Sachverhalt das Vorliegen einer Abrechnung über eine entgeltliche Leistung nicht auszuschließen war, eine tatsächliche Feststellung des FG hierzu aber fehlte.
Eine Rechnungsberichtigung hätte ggf. keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung. Das EuGH-Urteil Pannon Gep (EuGH, Urteil vom 15.7.2010, C–368/09), das entgegen einem früheren Urteil und ohne Auseinandersetzung mit diesem, wohl eher sachverhaltsbedingt eine Rückwirkung bejaht hatte, betraf nicht den unberechtigten Steuerausweis. Eine Vorlage zur Klärung der widersprüchlichen Aussagen des EuGH zur Wirkung der Rechnungsberichtigung war danach nicht erforderlich.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung betrifft den Fall des Urteils des EuGH vom 27.10.2011, C–93/10 GFKL und die Vorlage des BFH zur Frage, ob beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen eine wirtschaftliche Leistung vorliege. Danach erbringt ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung i.S.v. Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL und übt keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit aus, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt.
2. Liegt umsatzsteuerrechtlich keine wirtschaftliche Tätigkeit vor, fehlt insoweit die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Ob einkommensteuerrechtlich eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.1.2012 – V R 18/08