Leitsatz
Beim "sale-and-lease-back"-Verfahren kann der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Leasinggut durch den Leasingnehmer an den Leasinggeber eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommen mit der Folge, dass weder diese Übertragung noch die Rückübertragung des Eigentums vom Leasinggeber an den Leasingnehmer umsatzsteuerrechtlich als Lieferung zu behandeln ist.
Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann auch insoweit grundsätzlich nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden.
Normenkette
§ 3 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG, Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger erwarb Digitalkopiergeräte, die er an Dritte vermietete. Zur Finanzierung des Kaufs veräußerte er diese an B und vereinbarte gleichzeitig einen Mietkaufvertrag zum Erwerb nach 48 Monaten. Das zivilrechtliche Eigentum an den Kopiergeräten sollte mit Zahlung der letzten Mietkaufrate wieder auf den Kläger übergehen. Bis dahin trug er die Gefahr des Untergangs der Kopiergeräte und die Instandhaltungskosten, durfte aber den Standort bei seinen Mietern nicht verändern. Das FA verneinte eine Lieferung und beurteilte die Differenz zwischen dem Kaufpreis (B an Kläger) und der Gesamtvergütung aus dem Mietkaufvertrag als Nettoentgelt für die Darlehensgewährung. Auch das FG gewährte den Vorsteuerabzug aus dem lease-back-Vertrag nicht. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG: Nach der Interessenlage der Vertragsbeteiligten, die der im Fall der Sicherungsübereignung zum Zweck der Sicherung einer Forderung vergleichbar sei, sei die Verfügungsmacht beim Kläger verblieben. Auch bei der Sicherungsübereignung komme es im Fall des störungsfreien Ablaufs weder zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer noch zu einer (Rück-)Lieferung des Sicherungsguts nach Fortfall des Sicherungszwecks. Die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums seitens des Klägers an die B-GmbH habe nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion gehabt.
Hinweis
Nach der 6. EG-RL gilt als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen hat; das ist nicht notwendig mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden. Nichts anderes meint § 3 Abs. 1 UStG. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der "sale-and-lease-back"-Vertragsgestaltungen war umstritten. Eine für alle Erscheinungsformen des Leasing einheitliche Beurteilung ist dabei nicht möglich, weil sich beim Leasinggeschäft Elemente mehrerer zivilrechtlicher Vertragstypen (insbesondere Miet-, Kauf- und Darlehensvertrag) in unterschiedlicher Gewichtung miteinander verbinden können.
Ob beim Leasinggeschäft eine Übertragung der Verfügungsmacht vorliegt, richtet sich deshalb nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Maßgebend ist der von den Vertragspartnern nach den vertraglichen Vereinbarungen vorgesehene normale, d.h. störungsfreie Ablauf des Leasinggeschäfts. Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden. Aus der formalen Selbstständigkeit der Verträge lassen sich keine Folgerungen ziehen, wenn diese nach der Interessenlage der Vertragsparteien eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bilden und der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre.
Allerdings ist Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der 6. EG-RL zu beachten: Danach gilt als Lieferung die Übergabe eines Gegenstands aufgrund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstands vorsieht, mit der Klausel, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird. Diese Regelung setzt aber die "Übergabe" des Gegenstands voraus. Das ist bei "sale-and-lease-back"-Sachverhalten regelmäßig gerade nicht der Fall.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2006, V R 22/03