Leitsatz
Der Gewinn aus der vor Ablauf der sog. siebenjährigen Sperrfrist erfolgten Veräußerung einbringungsgeborener Anteile ist nach der im Jahr 2005 geltenden Rechtslage steuerpflichtig. Damit wird nicht gegen Grundrechte des Veräußerers verstoßen. Der Ausschluss der Steuerfreistellung im Fall der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile innerhalb der Sperrfrist ist durch den Sachgesichtspunkt der typisierenden Verhinderung von Umgehungsgestaltungen gerechtfertigt.
Normenkette
§ 8b Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F., Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die klagende GmbH erwarb in 1999 im Rahmen einer Kapitalerhöhung Stückaktien der G AG; sie erbrachte ihre Einlage durch Einbringung von KG-Beteiligungen (Sacheinlage zu Buchwerten). In den Jahren 2003 und 2004 veräußerte die G AG die KG-Beteiligungen (steuerpflichtige Veräußerungsgewinne), im Jahr 2005 die Klägerin ihre (einbringungsgeborenen) Anteile an der AG. Dem Begehren der Klägerin, den Veräußerungsgewinn 2005 außer Ansatz zu lassen, kam das FA nicht nach; die Klage blieb erfolglos (FG Hamburg, Urteil vom 19.6.2013, 2 K 185/11, Haufe-Index 5100637, EFG 2013, 1694).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen.
Hinweis
1. Das Urteil betrifft eine Konsequenz der nach früherem Umwandlungssteuerrecht (UmwStG i.d.F. vor SEStEG – Vorgänge vor dem 12.12.2006) maßgebenden Konzeption bei Buchwert-Einbringungen: Die neu erworbenen (sog. einbringungsgeborenen) Anteile repräsentierten die im Zuge der Einbringung nicht aufgedeckten stillen Reserven, sodass eine Veräußerung dieser Anteile innerhalb einer sog. Sperrfrist von 7 Jahren einen Steuertatbestand erfüllte (§ 8b Abs. 4 KStG a.F. als Ausnahme zu der Grundregel des § 8b Abs. 2 KStG).
Das Urteil ist erst nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen worden (Abdruck als "NV-Entscheidung" bereits in BFH/NV 2015, 1446); dies veranschaulicht, dass hier zwar nichts grundlegend Neues gesagt wurde – aber auch die ausdrückliche Bestätigung bereits bekannter Maßgaben kann unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit Bedeutung erlangen.
2. Der BFH schließt sich den verfassungsrechtlichen Einwendungen der Klägerin gegen die Besteuerung des bei ihr angesetzten Veräußerungsgewinns nicht an. Die reklamierte doppelte steuerliche Belastung der stillen Reserven der vormals eingebrachten KG-Beteiligungen (Veräußerungsgewinn bei der Zielgesellschaft; Veräußerungsgewinn beim Einbringenden) ist nicht Folge der für sog. einbringungsgeborene Anteile getroffenen Regelungen in § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 1 KStG a.F. Diese Regelungen entscheiden lediglich über das Ein- oder Nichteingreifen der Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 2 KStG (Entlastungstatbestand) und treffen keine Aussage über die Entstehung und die Belastung der einbringungsgeborenen Anteile (Besteuerungstatbestand).
Vielmehr ist die Verdoppelung der stillen Reserven Folge des in §§ 20, 21 UmwStG a.F. geregelten Konzepts der einbringungsgeborenen Anteile. Danach werden einerseits die stillen Reserven des eingebrachten Vermögens auf die aufnehmende Kapitalgesellschaft durch die für die erstrebte Gewinnneutralität verlangte Buchwertfortführung verlagert und werden andererseits die stillen Reserven zugleich auf die gewährten Kapitalgesellschaftsanteile übertragen, weil als Anschaffungskosten dieser Anteile der Buchwert des eingebrachten Vermögens angesetzt wird. Die Verdoppelung der stillen Reserven ist "der Preis für diesen Besteuerungsaufschub" und auch eine Konsequenz der strikten Befolgung des sog. Trennungsprinzips (Sphäre der Kapitalgesellschaft; Sphäre des Gesellschafters). Dass der SEStEG-Gesetzgeber dieses Prinzip nach einer Neubewertung der mit dem Konzept verbundenen Vor- und Nachteile inzwischen verlassen hat (nun: Konzept der rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsvorgangs), berechtigt dabei nicht dazu, das alte System als verfassungswidrig anzusehen.
3. Der Gesetzgeber hat dieses Besteuerungskonzept über den Zeitpunkt des Systemwechsels (Ersetzung des Anrechnungs- durch das Halbeinkünfteverfahren) hinaus folgerichtig durchgehalten. Er hat mit § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. seinen Willen bekräftigt, die stillen Reserven des eingebrachten Vermögens zu besteuern und die Vereitelung dieses Besteuerungszugriffs im Gestaltungswege (steuerneutraler "Umtausch" des Betriebsvermögens vor geplanter Veräußerung in steuerfrei veräußerbare Kapitalgesellschaftsanteile) zu verhindern.
Und der Ausschluss der Steuerfreistellung bei der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile innerhalb der Sperrfrist ist durch den Sachgesichtspunkt der Verhinderung von Umgehungsgestaltungen zu rechtfertigen. Mit der Frist von 7 Jahren wird typisierend festgelegt, dass bei Veräußerungen nach Ablauf der Frist keine Umgehungsgestaltung, sondern eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung vorliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.4.2015 – I R 54/13