Leitsatz
1. Champions League-Tickets zählen zu den "anderen Wirtschaftsgütern", die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sein können.
2. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst auch Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren, soweit sie nicht zu § 20 EStG gehören.
3. Champions League-Tickets sind keine Gegenstände des täglichen Gebrauchs i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, § 20 Abs. 2, § 22 Nr. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KBV, § 631, § 797, § 807, § 808 BGB, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Kläger erwarben über die offizielle UEFA-Website zwei Tickets für das Finale der UEFA Champions League in Berlin und veräußerten sie kurz danach über eine Ticketplattform mit Gewinn. Den Sachverhalt offenbarten sie in ihrer Einkommensteuererklärung, gaben den Gewinn jedoch mit 0 EUR an, weil sie von der Steuerfreiheit ausgingen. Das FA erfasste den Gewinn.
Entscheidung
Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.3.2018, 5 K 2508/17, Haufe-Index 11770906, EFG 2018, 1167) hat der Klage stattgegeben und u.a. ausgeführt, die Veräußerung von Wertpapieren werde seit 2008 von § 23 EStG nicht mehr erfasst. Wenn man dies anders sähe, wäre die Vorschrift insoweit jedenfalls verfassungswidrig wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits und wegen einer verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung. Auf die Revision des FA hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das FA hat den Veräußerungsgewinn zu Recht der Besteuerung unterworfen.
Hinweis
1. Eintrittskarten (nicht nur für Fußballspiele) sind Wertpapiere. Sie verbriefen jedoch keine Kapitalforderung (Anspruch auf Zahlung in Geld), sondern den Anspruch auf eine Sach-, Werk- oder Dienstleistung und unterfallen deshalb im Fall ihrer Veräußerung nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG. Das ist spätestens seit dem grundlegenden BFH-Urteil zu Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen geklärt (BFH, Urteil vom 12.5.2015, VIII R 35/14, BFH/NV 2015, 1467, BStBl II 2015, 834).
2. Es handelt sich aber um "andere Wirtschaftsgüter" i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.
a) Die allgemeinen Begriffsmerkmale für ein Wirtschaftsgut liegen vor: Eintrittskarten vermitteln Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbstständigen Bewertung zugänglich sind.
b) Sie werden auch weiterhin von § 23 erfasst. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem UntStRefG 2008 die Besteuerung von Wertpapieren, die Kapitalforderungen verbriefen, dem § 20 EStG zugewiesen. Seitdem ist der Begriff des Wertpapiers in § 23 EStG nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Wertpapiere, die andere als Kapitalforderungen verbriefen, keine Wirtschaftsgüter mehr sind und dass Veräußerungsgewinne insofern nicht mehr der Besteuerung unterliegen sollen. Dafür ist nichts ersichtlich.
c) Es handelt sich bei den Eintrittskarten auch nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, deren Veräußerung nicht zu steuerbaren Einkünften führt. Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind solche, die durch bestimmungsgemäßen Gebrauch an Wert verlieren und oder kein nennenswertes Wertsteigerungspotenzial aufweisen. Letzteres ist bei Eintrittskarten aber der Fall. Auch sind sie jedenfalls nicht zur regelmäßigen oder mehrmaligen Benutzung geeignet. Ob dies allein die Annahme eines Gegenstands des täglichen Gebrauchs ausschließt, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung.
3. Verfassung: Ein strukturelles Vollzugsdefizit liegt nicht vor. Dafür würde es nicht genügen, wenn ein anonymisierter (Weiter-)Verkauf über Internet-Handelsplattformen möglich wäre. Im Übrigen hält der BFH ausreichende Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzämter in Form von Sammelauskunftsersuchen für gegeben.
4. Auch eine verfassungsrechtlich verbotene Inländerdiskriminierung verneint der BFH. Zwar unterliegen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mit privaten Veräußerungsgeschäften regelmäßig nicht der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG). Diese Differenzierung ist jedoch nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.10.2019 – IX R 10/18