Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Der wirtschaftliche Inhaber von Kapitalgesellschaftsanteilen erzielt originär sowohl Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnanteile und sonstige Bezüge) als auch diejenigen nach § 17 EStG (Gewinne oder Verluste aus der Anteilsveräußerung).
2. Die wirtschaftliche Inhaberschaft wird dem an einem Kapitalgesellschaftsanteil Unterbeteiligten nur dann vermittelt, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.
3. Auch kurze Haltezeiten können dann die wirtschaftliche Zurechnung von Anteilsrechten begründen, wenn dem Berechtigten (hier: Unterbeteiligten) der in der Zeit seiner Inhaberschaft erwirtschaftete Erfolg (einschließlich eines Substanzwertzuwachses) gebührt.
Normenkette
§ 39 AO 1977 , § 17 EStG , § 20 EStG
Sachverhalt
Die Kläger – Ehegatten – wurden für das Streitjahr 1990 zusammen zur ESt veranlagt. Der Kläger – seit 1987 Inhaber einer GmbH-Beteiligung, die er für 1 DM erworben hatte – hatte seiner Ehefrau und zwei weiteren Personen 1989 "atypische Unterbeteiligungen" zu jeweils 25 % zum Preis von jeweils 8.000 DM an seinem GmbH-Anteil eingeräumt. Der Vertrag sah eine Innengesellschaft mit Ergebnisbeteiligung, Mitwirkungs- und Informationsrechten sowie Stimmrechte entsprechend der Beteiligungsquote und eine Beteiligung der Unterbeteiligten an den stillen Reserven der GmbH im Fall der Kündigung des Unterbeteiligtenvertrags und bei Veräußerung des GmbH-Anteils sowie die Liquidation der Gesellschaft vor.
1990 veräußerte der Kläger seine Beteiligung zum Preis von 3,25 Mio. DM und erklärte für 1989 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. (3 x 8.000 DM =) 24.000 DM und für 1990 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 812.500 DM. Das FA war der Ansicht, dass der Verkaufserlös dem Kläger zuzurechnen sei, er den an die Unterbeteiligten abgeführten Anteil als Veräußerungskosten geltend machen könne und die Klägerin in Höhe ihres Anteils Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen habe.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt (EFG 2001, 1383), der BFH bestätigte das Urteil. Ein "typisches" bzw. "atypisches" Unterbeteiligungsverhältnis an einem Kapitalgesellschaftsanteil gebe es nach Einkommensteuerrecht nicht, vielmehr komme es darauf an, ob die Unterbeteiligten wirtschaftliche Eigentümer an dem Kapitalgesellschaftsanteil geworden seien. Hinsichtlich der Anforderungen an das wirtschaftliche Eigentum könne auf die in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze Bezug genommen werden. Daraus ergebe sich, dass die Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht nach den Merkmalen bestimmt werden könne, die für Unterbeteiligungen an Personengesellschaftsanteilen gelten (wird näher ausgeführt).
Hinweis
Nach § 20 Abs. 2a EStG ist Anteilseigner derjenige, dem nach § 39 AO die Beteiligung im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen ist. Eine entsprechende Regelung zum Subjekt der Einkünfteerzielung enthält § 17 EStG nicht. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass auch der Anteilseigner i.S.v. § 17 EStG nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums zu bestimmen ist (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 17.2.2004, VIII R 26/01, BFH-PR 2004, 309 und die dortige Anmerkung).
Für den Fall des "Anteilssplittings" in eine Haupt- und Unterbeteiligung kann nichts anderes gelten. Räumt der Anteilseigner deshalb einem Dritten eine Unterbeteiligung ein, muss geprüft werden, wieweit seine Inhaberstellung auf den Unterbeteiligten übergegangen ist.
Eine wirtschaftliche (Mit-)Inhaberschaft setzt voraus, dass der (Mit-)Inhaber alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann, also insbesondere das Gewinnbezugsrecht und die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 18.12.2001, VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640). Gewinnbezugsrecht (Gewinnausschüttungsanspruch, Beteiligung an den stillen Reserven der Kapitalgesellschaft) und mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte (Auskunfts- und Einsichtsrechte und insbesondere das Stimmrecht) müssen dabei nicht nach außen gegenüber der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden; es genügt, dass sie dem Unterbeteiligten im Innenverhältnis zum Hauptbeteiligten zustehen, der damit eine gegenüber dem Unterbeteiligten treuhandähnliche Stellung einnimmt.
Dabei wird man – insbesondere bei mehreren Unterbeteiligungsverhältnissen – bei Abfassung der Unterbeteiligungsverträge darauf achten müssen, dass der Hauptbeteiligte auch im Konfliktfall die Interessen der Unterbeteiligten vertritt. Das wird am besten dadurch erreicht, dass die Verträge zur Ausübung des Stimmrechts in der GmbH eine Vorabstimmung der Haupt- und Unterbeteiligten nach den für die Abstimmung in der GmbH geltenden Regeln vorsehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.5.2005 VIII R 34/01