OFD Frankfurt, Verfügung v. 27.5.2010, S 2270 A - 11 - St 216
1. Allgemeines
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt.
Mit mehreren Entscheidungen vom 22.5.2006 hat der BFH u.a. zur Problematik der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG Stellung genommen und zugleich die Frage, ob die Antragsfrist verfassungsgemäß ist, dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Aus diesem Anlass weise ich auf folgende Besonderheiten hin:
2. Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (410-Euro-Grenze)
2.1 Änderung durch das JStG 2007
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 sind Arbeitnehmer verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 EStG und § 24a EStG, oder die positive Summe der Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jeweils mehr als 410 EUR beträgt. Nach § 52 Abs. 55j EStG ist die Neufassung auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.
Diese klarstellende Gesetzesänderung wurde auf Grund des bislang noch unveröffentlichten BFH-Urteils vom 21.9.2006, VI R 52/04 erforderlich. Der BFH vertrat darin die Auffassung, dass auch bei einer negativen Summe der Einkünfte von mehr als 410 EUR eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG von Amts wegen durchzuführen sei.
2.2 Anwendung der Regeln über den Verlustausgleich (Mindestbesteuerung – § 2 Abs. 3 EStG a.F.)
Mit Urteil vom 22.5.2006, VI R 50/04 (BStBl 2006 II S. 801) hat der BFH entschieden, dass die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte i.S. von § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG unter Beachtung der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten Regeln über den Verlustausgleich in § 2 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist. Übersteigt die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 3 EStG vorgeschriebenen Verhältnisrechnung den Betrag von 800 DM (410 EUR), sind die Steuerpflichtigen demnach von Amts wegen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
3. Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
3.1 Änderung durch das JStG 2008
§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG regelte bisher, dass der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen ist. Durch das Jahressteuergesetz 2008 ist die zweijährige Antragsfrist aufgehoben worden. Nach § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG ist diese Änderung erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden. Darüber hinaus ist sie für Veranlagungszeiträume vor 2005 anzuwenden, wenn der Antrag auf Veranlagung bis zum 28.12.2007 (= Tag der Verkündigung des JStG 2008 im BGBl) beim FA eingegangen ist und über den Antrag am 28.12.2007 noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Die Neuregelung gilt somit nicht für Fälle, in denen der Antrag auf Veranlagung für einen Veranlagungszeitraum vor 2005 erst nach dem 28.12.2007 beim FA eingeht.
Gegen diese Verwaltungsauffassung hat der BFH mit Urteil vom 12.11.2009, BStBl 2010 II S. 406, entschieden, dass ein Stpfl., der ausschließlich Arbeitslohn bezieht und den Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 erst nach dem 28.12.2007 stellt – soweit Verjährungsfristen nicht entgegensteht –, zu veranlagen ist. Entsprechende Fälle, die bisher von der Bearbeitung zurückgestellt wurden, bitte ich in diesem Sinne zu erledigen. Hinsichtlich der Anwendung der Anlaufhemmung verweise ich auf Tz. 3.2
3.2 Verfassungsmäßigkeit der Antragsfrist
Mit Beschluss vom 22.5.2006, BStBl 2006 II S. 820, hat der BFH dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die bisherige Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verfassungsgemäß ist (Az. 2 BvL 56/06). Im Vorlagefall hatte der Steuerpflichtige, der ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hatte, die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 erst in 2002, also nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist eingereicht. Unter III Nr. 2 des Beschlusses führt der BFH aus, Steuerpflichtige, die von Amts wegen zu veranlagen seien, könnten die Durchführung einer Veranlagung noch bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden siebten Kalenderjahres erreichen, da neben der vierjährigen Festsetzungsfrist auch die höchstens drei Jahre dauernde Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen sei. Dagegen könne der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. vor dem JStG 2008 nur innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Veranlagungszeitraums gestellt werden. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.
In o.g....