Bei Disputen aus Kauf- und Dienstverträgen – mit Ausnahme von Arbeitsverträgen – steht jedem Verbraucher eine Verbraucherschlichtungsstelle zur Verfügung. Das Verfahren will Konflikte schnell und günstig lösen, und damit die herkömmlichen außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtswege entlasten, ohne den Weg zu ihnen zu versperren. Gelingt eine Schlichtung nicht, kann danach ohne Weiteres der Gerichtsweg eingeschlagen werden.
Umgekehrt können auch Unternehmer von dieser weiteren Möglichkeit der Konfliktlösung profitieren. Ihre Teilnahme ist weitestgehend freiwillig, allerdings mit Kosten verbunden. Vermutlich ist das der Faktor, der Unternehmen häufig davon abhält, sich hier mehr einzubringen. Der Verbraucherschlichtungsbericht 2022 des Bundesamts für Justiz zeigt jedoch eine steigende Tendenz auf. Insbesondere die großen Schlichtungsstellen wie
- die Universalschlichtungsstelle des Bundes,
- die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz und
die söp-Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
verzeichnen Jahr für Jahr höhere Antragseingangszahlen, wobei im Jahr 2020, bedingt durch die Corona-Pandemie, besonders viele Anträge eingegangen sind. Insgesamt gab es 2020 über 100.000 Anträge bei allen Verbraucherschlichtungsstellen. Bei der Universalschlichtungsstelle waren es im Jahr 2021 2.350 Anträge. Die Unternehmensbeteiligung stieg dort von 31 % im Jahr 2020 auf 38 % im Jahr 2021.
EU-weite Schlichtungsstellen
Landes- und europaweit wurden und werden noch Verbraucherschlichtungsstellen flächendeckend eingerichtet. Sie sollen die Streitfälle nach gleicher Struktur klären. Aktuell gibt es in Deutschland 28 Verbraucherschlichtungsstellen. Europaweit sind es ca. 450 Verbraucherschlichtungsstellen.
Die wichtigsten Punkte
- Für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern wurden flächendeckend außergerichtliche Streitbeilegungsstellen geschaffen.
- Wenn Verbraucher und Unternehmer dies möchten, können sie nun ohne große Hürden und Kosten ihre Probleme bei Kauf- und Dienstverträgen professionell klären lassen.
- Es werden gesetzliche Qualitätsanforderungen an die Schlichtungsstellen zu Fachwissen, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Transparenz und zum Ablauf des Streitbeilegungsverfahrens gestellt.
- Unternehmer haben zusätzliche Informationspflichten im Hinblick auf die Verbraucherstreitbeilegung.
- Die EU-Kommission hat eine Online-Plattform eingerichtet, auf der alle Informationen zusammengeführt sind und wo Verbrauchern insbesondere in grenzüberschreitenden Konflikten aus online geschlossenen Verträgen geholfen wird.
2.1 Verhältnis zu anderen Schlichtungsverfahren
Bewährte Verfahrensweisen und Plattformen zur außergerichtlichen Streitbeilegung bleiben erhalten. Beratungsstellen und Interessenverbände setzen ihre Arbeit in diesem Bereich fort.
Gleiches gilt für bestehende, i. d. R. branchenspezifische Schlichtungsstellen, z. B. nach § 214 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), für Gütestellen, die bei Handwerkskammern oder Industrie- und Handelskammern angesiedelt sind und für nach Landesrecht anerkannte Gütestellen (§ 15a EGZPO) und Schiedsämter.
Auch an außergerichtlichen Mediationsverfahren wird nicht gerüttelt. Im Ergebnis wird daher das Portfolio für Verbraucher und Unternehmer für einvernehmliche Lösungswege ohne Hilfe der Gerichte bzw. ihnen vorgeschaltet erweitert.
2.2 System der Schlichtungsstellen
In der gesamten Bundesrepublik verteilt wurden und werden noch behördliche und private Stellen eingerichtet und anerkannt. Sowohl die behördlichen als auch die von privater Hand geführten Schlichtungsstellen bieten das gleiche unparteiliche, unabhängige, fachgerechte Verfahren nach gesetzlich vorgegebener Struktur an. Ziel ist es, dem Verbraucher eine Anlaufstelle möglichst in räumlicher Nähe anzubieten, wobei dies mit zunehmender Digitalisierung immer unwichtiger wird. Ergänzend sollten zur Lückenfüllung von den Bundesländern eigentlich sogenannte Universalschlichtungsstellen eingerichtet werden, was jedoch nicht geschehen ist. Als Auffangstelle diente bis zum 31.12.2019 die bundesweit tätige Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle am Zentrum für Schlichtung e. V. in Kehl. Seit dem 1.1.2020 ist diese Aufgabe der Universalschlichtung dem Bund übertragen.
Verbraucherschlichtungsstelle darf sich nur nennen, wer nach dem VSBG oder spezialgesetzlichen Regelungen (z. B. Schlichtungsstellen der Bundesrechtsanwaltsordnung, nach dem Unterlassungsklagengesetz oder dem Energiewirtschaftsgesetz) anerkannt, beauftragt oder eingerichtet ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VSBG).
Geschützter Begriff "Verbraucherschlichtungsstelle"
Die Bezeichnung Verbraucherschlichtungsstelle ist damit so etwas wie ein Qualitätssiegel und signalisiert nach außen, dass die Verfahren nach Maßgabe des VSBG geführt werden. Nennt sich eine Stelle verbotswidrig Verbraucherschlichtungsstelle, droht ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro (§ 41 VSBG).
2.2.1 Fachliche und organisatorische Anforderungen
Einrichtungen, die sich Verbraucherschlichtungsstelle benennen...