Rz. 14
Als Rechte, die einem (Mutter-)Unternehmen nach § 290 Abs. 2 HGB zuzurechnen sind, gelten auch diejenigen Rechte, die
- einem anderen Tochterunternehmen,
- für Rechnung des Mutter- und/oder
- Tochterunternehmens handelnden Personen zustehen.
Nach § 290 Abs. 3 HGB wird somit deutlich, dass die in § 290 Abs. 2 HGB eine Mutter-Tochter-Beziehung auslösenden Rechte nicht direkt dem Mutterunternehmen zustehen müssen, sondern auch mittelbare Beziehungen – über ein Tochterunternehmen oder eine für Rechnung des Mutter- bzw. Tochterunternehmens handelnde Person – mit in die Betrachtung einzubeziehen sind. Es kommt also im Rahmen dieser Zurechnungen nicht auf die rechtlichen Gegebenheiten auf Ebene des Mutterunternehmens an; vielmehr steht die wirtschaftliche Betrachtungsweise hier im Vordergrund.
Auch wenn ein Tochterunternehmen wegen eines Einbeziehungswahlrechts des § 296 HGB nicht einbezogen wird, hat eine Zurechnung diesem Tochterunternehmen zustehender Rechte zu erfolgen. Die Einbeziehungsmethode des Tochterunternehmens ist für die Zurechnungsregelungen des § 290 Abs. 3 HGB irrelevant. Von Bedeutung ist lediglich, dass ein Mutter-Tochter-Verhältnis zu diesem Unternehmen besteht.
Dem Mutterunternehmen sind nach § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB weiterhin solche Rechte zuzurechnen, über die es selbst oder eines seiner Tochterunternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern verfügen kann. Hierunter fallen z. B. Stimmrechtsbindungsvereinbarungen sowie Pool-, Konsortial- und ähnliche Verträge, die ihrerseits jeweils auf eine gemeinsame Stimmabgabe gerichtet sind. Die Rechte aus derartigen Vereinbarungen werden nur zugerechnet, wenn das Mutter- bzw. Tochterunternehmen die Vereinbarung mit einem anderen Gesellschafter geschlossen hat. Dies setzt voraus, dass das Mutter- bzw. Tochterunternehmen ebenfalls Gesellschafter ist. Ein Unternehmen, das bei einem anderen Unternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit einem Gesellschafter dieses Unternehmens über Rechte i. S. d. § 290 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 oder Nr. 3 HGB verfügen kann, ohne selbst Gesellschafter dieses Unternehmens zu sein, qualifiziert sich insoweit nicht als Mutterunternehmen i. S. d. § 290 Abs. 2 HGB.
Rz. 15
Von den Rechten, die einem Mutterunternehmen i. S. d. § 290 Abs. 2 HGB unmittelbar oder kraft Fiktion zustehen, sind nach § 290 Abs. 3 Satz 3 HGB folgende Rechte abzuziehen:
- Rechte, die mit Anteilen verbunden sind, die von dem Mutterunternehmen oder von dessen Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden;
- Rechte, die mit Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden.
Rz. 16
Zusammenfassend ist folgende Tabelle für die Ermittlung der dem Mutterunternehmen zustehenden Rechte nach § 290 Abs. 3 HGB heranzuziehen:
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Rechte, die dem Mutterunternehmen unmittelbar zustehen |
+ |
Rechte, die einem anderen Tochterunternehmen zustehen |
+ |
Rechte, die den für Rechnung des Mutter- und/oder Tochterunternehmens handelnden Personen zustehen |
+ |
Rechte, über die das Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern des betreffenden (Tochter-)Unternehmens verfügen kann |
./. |
mit Anteilen verbundene Rechte, die vom Mutterunternehmen oder von dessen Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden |
./. |
mit Anteilen verbundene Rechte, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden |
= |
Rechte des Mutterunternehmens i. S. d. § 290 Abs. 3 HGB |
Tab. 1: Rechte des Mutterunternehmens i. S. d. § 290 Abs. 3 HGB
Rz. 17
Hinsichtlich der Bestimmung der einem Unternehmen zustehenden Stimmrechte ist § 290 Abs. 4 HGB zu beachten. Wenngleich die Kapital- und Stimmrechtsmehrheit vielfach zusammenfällt, ist nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB allein die Stimmrechtsmehrheit für die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses maßgebend. Dem Mutterunternehmen zustehende Stimmrechte ermitteln sich aus dem "Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte." Bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils sind – vergleichbar zur aktienrechtlichen Regelung – eigene Anteile, die einem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören, von der Gesamtzahl der Stimmrechte abzuziehen.