Leitsatz
Tätigt eine Kapitalgesellschaft ein mit hohem Risiko behaftetes Geschäft, muss der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer dementsprechend die Zuordnung dieses Geschäftes entweder zur Ebene der Kapitalgesellschaft oder zu seiner privaten Ebene im Rahmen einer eindeutigen Dokumentation vornehmen. Keinesfalls ist es dem beherrschenden Gesellschafter mit steuerlicher Wirkung möglich, das wirtschaftliche Ergebnis des Risikogeschäftes abzuwarten, um es dann bei einem Erfolg seiner Privatsphäre und bei einem Misserfolg der Sphäre der Kapitalgesellschaft zuzuordnen. In letzterem Fall liegt in der Verlustübernahme durch die GmbH eine vGA.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Satzungsgegenstand der Bau von Prüfgeräten ist. Die GmbH ging im Jahr 1993 auf das Angebot einer nigerianischen Firma ein, die der Klägerin einen Betrag i.H.v. 35,5 Mio. Dollar "auf Ihr Firmenkonto oder Privatkonto" überweisen wollte. Vor dem geplanten Geldtransfer sollte die GmbH allerdings noch "Sicherheiten" und "Auslagenersatz" i.H.v. ca. 320.000 DM leisten. Nach Überweisung dieser Gelder stellte die nigerianische Firma (überraschenderweise?) sämtliche Kontakte ein. Die Zahlung wurde zunächst auf einem Verrechnungskonto des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers verbucht und im Rahmen des Jahresabschlusses auf das Konto "a.o. Aufwand" umgebucht. Das Finanzamt qualifizierte im Rahmen einer Außenprüfung die Zahlung als vGA. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die Klage der GmbH nicht begründet. Grundsätzlich sind zwar Risikogeschäfte, die von vornherein auf Rechnung der Kapitalgesellschaft abgeschlossen und durchgeführt werden, solche der Kapitalgesellschaft. Anders ist es aber dann zu beurteilen, wenn der bzw. die Gesellschafter ein Geschäft zunächst auf eigene Rechnung führen und sich erst zu einem Zeitpunkt zur Übertragung des betreffenden Geschäfts auf die Kapitalgesellschaft entschließen, in dem sich die dauernde Verlustsituation bereits konkret abzeichnet. In diesem Fall liegt die Verlustübernahme im Interesse der Gesellschafter und nicht der Gesellschaft und entspricht somit nicht dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Eine vGA läge somit nicht vor, wenn es sich bei dem Risikogeschäft von Anfang an um ein solches der GmbH gehandelt hätte. Wenn allerdings für die Zuordnung des Geschäfts die weitere Entwicklung abgewartet werden könnte, würden Manipulationsmöglichkeiten dadurch eröffnet, dass die Zuordnung in der Weise getroffen werden könnte, wie dies steuerlich am günstigsten erscheint. Insbesondere im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter können die Manipulationsmöglichkeiten nur dadurch ausgeschlossen werden, dass von vorneherein eindeutig dokumentiert wird, ob das unübliche Geschäft für Rechnung der Kapitalgesellschaft oder des Gesellschafters vorgenommen wird. Beim Fehlen einer solchen Zuordnung müssen die Zahlungen als vGA behandelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da die streitigen Aufwendungen zunächst auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto verbucht wurden, so dass eine klare Zuordnung eben nicht gegeben ist, und erst bei Eintreten des konkreten Verlustes eine Übertragung auf die GmbH durch die Umbuchung als "a.o. Aufwand" stattgefunden hat.
Hinweis
Das Urteil des FG überrascht nicht, da der BFH bereits in gleichem Sinne entschieden hat, dass eine vGA dann gegeben ist, wenn sich eine Kapitalgesellschaft erst zu einem Zeitpunkt zur Übernahme eines spekulativen Geschäftes entschließe, in dem sich die dauerhafte Verlustsituation tatsächlich realisiert hat (BFH, Urteil v. 8.7.1998, I R 123/97, DStZ 1999 S. 104, BFH/NV 1999 S. 269). Gleichzeitig soll der beherrschende Gesellschafter nicht nachträglich seine Stellung aus steuerlichen Gründen bestimmen bzw. so verändern können, wie sie ihm steuerlich am günstigsten erscheint (BFH, Urteil v. 17.12.1997, I R 70/97, BStBl 1998 II S. 545). Diese Überlegungen treffen auch für die hier vorliegenden Risikogeschäfte zu.
In der Praxis ist darauf zu achten, dass bei Vorliegen von Risikogeschäften bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern eine eindeutige Zuordnung zur Ebene der Kapitalgesellschaft gegeben sein muss, um einen eventuellen auftretenden Verlust mit steuerlicher Wirkung geltend machen zu können. Die Verbuchung dürfte somit nicht auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto, sondern müsste auf einem Konto im Bereich "Verbindlichkeiten" verbucht werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 06.05.2002, 7 K 4527/00