Dipl.-Finw. (FH) Holm Geiermann
Zusammenfassung
Ausschüttungen des Gewinns führen auf der Ebene der Körperschaft zu keiner Einkommensänderung, sondern sind Maßnahmen der Gewinnverwendung. Hierzu rechnet nach dem Gesetzeswortlaut auch die sog. "verdeckte Gewinnausschüttung" (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Die verdeckten Gewinnausschüttungen grenzen sich zu den regulären Ausschüttungen u. a. dadurch ab, dass sie formell ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis darstellen, steuerrechtlich aber als Einkommensverwendung umqualifiziert werden.
In der Praxis kommen verdeckte Gewinnausschüttungen am häufigsten bei den Kapitalgesellschaften vor. Verdeckte Gewinnausschüttungen sind jedoch auch bei anderen Körperschaften, z. B. bei Genossenschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, bei Realgemeinden und Vereinen, sowie bei Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, möglich. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setzt immer voraus, dass der Empfänger der Ausschüttung ein mitgliedschaftliches oder mitgliedschaftsähnliches Verhältnis zur ausschüttenden Körperschaft hat. Entscheidend für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist ihre Veranlassung durch das mitgliedschaftliche oder mitgliedschaftsähnliche Verhältnis.
Eine Begriffsbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung findet sich weder in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG noch in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH
- eine (bei der Körperschaft eintretende) Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung,
- die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist,
- sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. auf die Einkünfte bei nicht buchführungspflichtigen Körperschaften auswirkt und
- in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.
Außerdem muss der zu beurteilende Vorgang geeignet sein, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
1 Tatbestandsmerkmale der verdeckten Gewinnausschüttung
1.1 Vermögensminderung/verhinderte Vermögensmehrung
Eine verdeckte Gewinnausschüttung erfordert eine Auswirkung auf das Vermögen (= Eigenkapital) der Körperschaft. Dies kann durch eine konkrete Vermögensminderung erfolgen, aber auch durch die Verhinderung einer Vermögensmehrung.
Vermögensminderung/verhinderte Vermögensmehrung
Gesellschafter A der A-GmbH entnimmt dem Warenlager der GmbH ohne Berechnung Waren für den persönlichen Gebrauch. Die Entnahme aus dem Warenlager wird als a. o. Aufwand gebucht. Bei der GmbH tritt eine Vermögensminderung ein.
Die B-GmbH führt bei ihrem Gesellschafter unentgeltlich Arbeiten an seinem privaten Einfamilienhaus durch. Bei einem fremden Kunden hätte sie dafür 10.000 EUR berechnet.
Der Verzicht auf die Berechnung führt bei der B-GmbH zu einer verhinderten Vermögensmehrung (die GmbH hat auf Einnahmen von 10.000 EUR und damit auf Gewinn verzichtet).
Die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn die Körperschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unter sonst gleichen Umständen auch gegenüber einem Nichtgesellschafter den Nachteil hingenommen hätte. Dies kann der Fall sein, wenn zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ein angemessenes Entgelt in anderer Weise vereinbart worden ist. Die Anerkennung eines derartigen Vorteilsausgleichs setzt voraus, dass eine rechtliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aus einem gegenseitigen Vertrag besteht.
Vorteilsausgleich
Die A-GmbH überlässt unentgeltlich Gesellschafter A einen Pkw zur Nutzung. Im Gegenzug stellt A der A-GmbH ein unbebautes Grundstück zur Nutzung als Lagerplatz zur Verfügung. Beide Leistungen sind wertgleich. Über die gegenseitige Nutzung wurde ein Vertrag abgeschlossen.
In diesem Fall kann von einem Vorteilsausgleich ausgegangen werden. Wären die Leistungen nicht wertgleich, müsste ein entsprechender Ausgleich bezahlt werden.
1.2 Auswirkung auf den Unterschiedsbetrag i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG
Ob eine Vermögensminderung/verhinderte Vermögensmehrung zu einer Einkommenskorrektur führt, hängt davon ab, ob eine Minderung des steuerlichen Gewinns eingetreten ist.
Eine Hinzurechnung nach § 8 Abs. 3 KStG ist nur dann vorzunehmen, wenn sich der Sachverhalt gewinnmindernd ausgewirkt hat. Die Korrektur kann nur das erfassen, was vorher zu einer Steuerminderung geführt hat. Die Zuwendung an einen Gesellschafter ohne Auswirkung auf den bilanziellen Gewinn führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.
Einkommenskorrektur
Die Frage der Einkommenskorrektur ist unabhängig von der Frage einer sonstigen Ausschüttung zu prüfen. Eine Leistung i. S. d. § 27 KStG sowie eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG können unabhängig davon vorliegen.