Leitsatz
Die Verlängerung einer in einem angefochtenen Verwaltungsakt getroffenen Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 1469/95, mit der sämtliche Zahlungen von Ausfuhrerstattungen ausgesetzt werden, stellt sich als Änderung i.S.d. § 68 FGO dar mit der Folge, dass der Verlängerungsbescheid Gegenstand des Verfahrens wird.
Normenkette
§ 68, § 100 Abs. 1 S. 4 FGO, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1469/95
Sachverhalt
Wegen des Verdachts von Unregelmäßigkeiten bei den Ausfuhrgeschäften der Klägerin und der Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung hatte das HZA mit sofortiger Wirkung sämtliche Zahlungen von Erstattungen für die Ausfuhr von Rind- und Schweinefleisch an die Klägerin ausgesetzt. Nachdem das FG (vgl. ZfZ 2004, 239) die Vollziehung dieses Bescheids mit der Begründung ausgesetzt hatte, dass die Maßnahme nicht ohne eine Befristung hätte ergehen dürfen, befristete das HZA mit Änderungsbescheid (Befristungsbescheid) die Maßnahme. Der Änderungsbescheid wurde Gegenstand des Verfahrens. Das FG gab der Klage statt und hob den Bescheid auf, weil das HZA zwar grundsätzlich berechtigt sei, gegen die Klägerin eine Maßnahme nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 1469/95 zu verhängen, jedoch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe; u.a. sei die Anwendungsdauer der Maßnahme nicht richtig bemessen worden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil legte das HZA Beschwerde ein und erließ am letzten Tag der festgelegten Frist einen Verlängerungsbescheid, mit dem es die Maßnahme bis zum 31.03.2005 verlängerte. Als dieses Datum verstrich, ohne dass der BFH entschieden hatte, erklärten die Beteiligten das Beschwerdeverfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt. Der BFH erklärte deshalb das erstinstanzliche Urteil für gegenstandslos.
Alsbald erhob jedoch die Klägerin beim FG Fortsetzungsfeststellungsklage und wollte die Rechtswidrigkeit des Verlängerungsbescheids festgestellt wissen. Diese Klage wies das FG wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab (FG Hamburg, Urteil vom 26.11.2008, 4 K 32/06, Haufe-Index 2119653); nach § 68 FGO sei der Verlängerungsbescheid zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem BFH geworden, sodass die Klägerin ihr Begehren im Beschwerdeverfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verlängerungsbescheids hätte umstellen können. Diese Rechtsschutzmöglichkeit stehe der jetzt erhobenen Klage entgegen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision gegen das Urteil des FG als im Ergebnis unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Wird ein angefochtener Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt nach § 68 S. 1 FGO Gegenstand des Verfahrens. Die Regelung dient dem Schutz des Klägers, der durch eine Änderung oder Ersetzung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht aus dem Klageverfahren herausgedrängt und gegen seinen Willen wieder in das Einspruchsverfahren zurückversetzt werden soll; sie dient ferner der Verfahrensbeschleunigung.
Was aber heißt "ändern"? Es verlangt sicher eine sachliche Beziehung zwischen dem angefochtenen und dem ändernden anderen Verwaltungsakt. Wie muss diese beschaffen sein?
Eine Änderung i.S.d. § 68 FGO liegt u.a. vor, wenn lediglich eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt, wie z.B. eine Befristung (§ 120 Abs. 2 Nr. 1 AO), hinzugefügt, aufgehoben oder geändert wird. So liegt es hier. Der Verlängerungsbescheid ändert eine Nebenbestimmung des angefochtenen Verwaltungsakts und ist deshalb ein i.S.d. § 68 FGO ändernder Bescheid, der (automatisch) Gegenstand des Verfahrens wird. Es kommt deshalb überhaupt nicht darauf an, ob das HZA seine Entscheidung über eine geänderte Befristung auf der Grundlage neuer Erkenntnisse bzw. eines neuen Sachverhalts oder einer neuen Prognoseentscheidung hinsichtlich des Risikos der Unzuverlässigkeit der Klägerin getroffen hat. Die von § 68 FGO verlangte Betrachtung zielt auf den Tenor, nicht die Begründung eines Bescheids.
Folglich war die nachträglich gegen den Verlängerungsbescheid erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, weil das Klagerecht insofern verbraucht war. Die Klägerin hätte ihr Begehren – im ("Zwischen"-)Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision auf Feststellung umstellen müssen und nicht den Rechtsstreit für erledigt erklären dürfen!
§ 68 FGO ist also nicht immer eine Wohltat für den Steuerpflichtigen, sondern kann auch zur Falle werden!
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.02.2010 – VII R 1/09