Neben dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff weitere Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und künftig als solche genutzt wird. Hier kommt es auf den subjektiven Willen an, Räumlichkeiten jederzeit nach Wunsch zu nutzen; dieser unterscheidet den Wohnsitz vom bloßen Aufenthalt in einer Wohnung (BFH v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917; AEAO zu § 8, Ziff. 4.2). Das Vorhandensein dieses Willens ist aus den objektiven Gesamtumständen im Wege der Prognose im Einzelfall zu prüfen. Es kommt darauf an, ob die Wohnung künftig genutzt, also ob sich in ihr ständig oder mindestens mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit tatsächlich aufgehalten werden soll (BFH v. 23.11.2000 – VI R 165/99, BStBl. II 2001, 279 = AO-StB 2001, 5; v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2). Die Wohnung braucht nicht Mittelpunkt der Lebensinteressen zu sein und muss auch nicht dauernd benutzt werden, sie muss aber dem Inhaber jederzeit, also wann immer er es wünscht, zur Verfügung stehen (BFH v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917; AEAO zu § 8, Ziff. 1.3).
Die Abgrenzung ist in der Praxis schwierig und führt öfters zu Rechtsstreitigkeiten. Da es an festen Zeitangaben mangelt, ist lediglich eine Orientierung an die bereits vorhandene Rspr. unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich. So wird eine Wohnung nicht beibehalten und künftig genutzt, wenn lediglich ein gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender Zeiträume zu Erholungs- oder Besuchszwecken stattfindet (FG Nürnberg v. 29.1.2014 – 3 K 861/13, BeckRS 2014, 94811) oder wenn sie für kurzfristige Aufenthalte zu Feiertagen oder Ferien genutzt wird (BFH v. 25.9.2014 – III R 10/14, AO-StB 2015, 40 = BFH/NV 2015, 266). Dagegen reicht es für die erforderliche Beibehaltung aus, wenn die Wohnung regelmäßig zweimal jährlich für mehrere Wochen genutzt wird (BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2010, 1402).
Ferner ist zu beachten, dass eine vorübergehende Vermietung nicht schadet (Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 8 Rz. 21). Aber auch in diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung in der Praxis häufig herausfordernd. Das Gesetz selbst sieht kein konkretes Zeitmoment vor, ein solches kann allerdings aus dem Innehaben der Wohnung abgeleitet werden. Nach der Rspr. und nach dem AEAO kann auf die Sechsmonatsfrist des § 9 S. 2 AO zurückgegriffen werden, weil diese Frist bedeutet, dass ein Aufenthalt so lang ist, dass er nicht mehr als vorübergehend angesehen werden kann (BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; AEAO zu § 8, Ziff. 4.2.1; Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 8 Rz. 22).
Wenn eine Wohnung von vornherein in der Absicht genommen wird, sie nur vorübergehend (für bis zu 6 Monate) beizubehalten und zu benutzen, wird kein Wohnsitz begründet. Entscheidend ist allerding die Absicht des Steuerpflichtigen. Im Einzelfall kann demzufolge auch ein tatsächlicher Aufenthalt von bis zu 6 Monaten als ein nicht nur vorübergehender anzusehen sein. Dann muss sich jedoch die ursprüngliche Absicht auf einen längeren Aufenthalt bezogen haben (BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1985, 954; AEAO zu § 8, Ziff. 4.2.2).