a) Auslandsaufenthalt eines Arbeitnehmers
Aus den obigen Ausführungen folgt auch, dass ein im Ausland tätiger Steuerpflichtige grundsätzlich seine Wohnung und damit seinen Wohnsitz im Inland behält, wenn er die inländische Wohnung weiterhin unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, sie beibehalten und benutzen zu wollen (AEAO zu § 8, Ziff. 6). Ausnahmen sind jedoch denkbar und gelten beispielsweise bei einer Untervermietung von mindestens 6 Monaten Dauer oder bei einer uneingeschränkten Residenzpflicht im Ausland (BFH v. 30.11.2010 – VI B 100/10, BFH/NV 2011, 574; Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 8 Rz. 13).
Bei einem im Ausland tätigen, ledigen Arbeitnehmer begründet die Beibehaltung einer eingerichteten Wohnung im Inland grundsätzlich ebenfalls die Vermutung für das Fortbestehen eines inländischen Wohnsitzes. Allerdings spielt hier der zeitliche Moment eine bedeutendere Rolle; bei einem auf mehr als einem Jahr angelegten Auslandsaufenthalt wird der inländische Wohnsitz durch bloße kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, weder beibehalten noch begründet. So entschied der BFH, dass das Vorhalten einer Wohnung im Inland keinen Wohnsitz begründet, wenn diese nach dem dauerhaften Wegzug ins Ausland nur zweimal im Jahr zwei bis drei Wochen genutzt wird (BFH v. 26.1.2001 – VI R 89/00, AO-StB 2001, 98 = BFH/NV 2001, 1018; Wilke / Weber, Lehrbuch internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 28).
b) Auslandsaufenthalt eines Kindes
Bei Auslandsaufenthalten von Kindern ist ebenfalls nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu unterscheiden. Ein vorübergehender Auslandsaufenthalt von weniger als einem Jahr, beispielsweise im Rahmen eines Schüleraustausches, führt i.d.R. nicht zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes bei den Eltern. Bei Auslandsaufenthalten, die länger als ein Jahr andauern, reichen kurzfristige Aufenthalte in der elterlichen Wohnung mit Besuchscharakter aber nicht mehr aus, um auf die Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes schließen zu können. Insgesamt kommt es immer darauf an, wie oft und wie lange sich das Kind bei seinen Eltern aufhält. Von der Beibehaltung des Wohnsitzes im Inland kann insb. dann ausgegangen werden, wenn das Kind die unterrichtsfreie Zeit – also die Zeit außerhalb der Vorlesungen, des Selbststudiums, aber auch etwaiger Praktika u.Ä. – überwiegend dort verbringt. Eine starre Zeitgrenze wäre sicherlich in der Praxis einfacher, existiert aber nicht (BFH v. 25.9.2014 – III R 10/14, BStBl. II 2015, 655 = AO-StB 2015, 40; Wilke / Weber, Lehrbuch internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 30).
Noch etwas anders zu beurteilen sind die Fälle, in denen ein ausländisches Kind, dessen Eltern in Deutschland arbeiten und wohnen, in seinem Heimatland bei Verwandten untergebracht ist, dort die Schule besucht und lediglich die Ferien bei den Eltern in Deutschland verbringt. Hier hat der BFH in st. Rspr. zum Kindergeld entschieden, dass das Kind grundsätzlich keinen Wohnsitz im Inland hat (BFH v. 27.12.2011 – III B 14/10, BFH/NV 2012, 555 m.w.N.).