Der gewöhnliche Aufenthalt setzt zunächst eine Anwesenheit voraus, also ein tatsächlicher Aufenthalt im Inland, bezogen auf einen bestimmten Ort oder auf ein bestimmtes Gebiet (BFH v. 7.4.2011 – III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351; Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 9 Rz. 2). Eine Wohnung i.S.d. § 8 AO ist nicht erforderlich, genauso wenig wie die Beschränkung auf einem einzigen Ort. Entscheidend sind die objektiven Umstände. Innere Absichten, die im Widerspruch zu den äußeren Umständen stehen, sind irrelevant.
Regelmäßige Übernachtung: Für den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ist eine regelmäßige Übernachtung erforderlich. Eine Schlafstelle auf dem Firmengelände, die bei gelegentlichen, betrieblich bedingten Aufenthalten benutzt wird, stellt weder einen Wohnsitz dar noch hat sie den gewöhnlichen Aufenthalt zur Folge. Kehrt ein Unternehmer mit Wohnsitz im Ausland und Betrieb in Deutschland regelmäßig nach Geschäftsschluss zu seiner Familienwohnung zurück, so hat er in Deutschland keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Das Vorhandensein der wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Inland, die die tägliche Anwesenheit im Inland erfordert, reicht daher nicht aus, wenn der Steuerpflichtige allabendlich zu seiner Familie in die im Ausland belegene Wohnung zurückkehrt (vgl. BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944). Bleibt die Person aber an Arbeitstagen regelmäßig am Beschäftigungsort und kehrt lediglich an den Wochenenden, Feiertagen und Urlaub zu ihrer Wohnung im Ausland zurück, ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland gegeben (Wilke / Weber, Lehrbuch internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 38). Ebenso begründen Gastarbeiter, die regelmäßig erst nach einer längeren Periode, z.B. 12 Monate, in ihr Heimatland zurückkehren, regelmäßig für die Zeit in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Grenzgänger haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich im Wohnsitzstaat (BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15). Dasselbe gilt für Grenzpendler, also die bereits angesprochenen Arbeitnehmer, aber auch Unternehmer/Freiberufler, die regelmäßig jeweils nach Geschäftsschluss zu ihrer Familienwohnung im Ausland zurückkehren (BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331). Wer allerdings regelmäßig an Arbeitstagen am Arbeits-/Geschäftsort im Inland übernachtet und sich nur am Wochenende bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seiner Wohnung im Ausland begibt, hat an dem inländischen Arbeits-/Geschäftsort jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt (AEAO zu § 9, Ziff. 2).