1. Bedeutung
Definition: Gemäß § 12 S. 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Diese Definition der Betriebsstätte wird durch eine nicht abschließende Aufzählung einzelner Betriebsstätten in Satz 2 der Vorschrift ergänzt. Somit kann ein Unternehmer mehrere Betriebsstätten haben.
Umfang: Der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO gilt grundsätzlich für alle Steuerarten, es sei denn, ein Steuergesetz geht für einen bestimmten Bereich ausdrücklich von einer anderen Definition aus (z.B. § 41 Abs. 2 EStG). Einen eigenständigen Betriebsstättenbegriff enthält auch § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG, weil er in einem anderen Sinnzusammenhang steht (BFH v. 13.5.2015 – II R 59/13, BFH v. 13.5.2015 – III R 59/13, BFH/NV 2015, 1365; Gersch in Klein, AO, § 12 Rz. 1).
Steuerlicher Anknüpfungspunkt: Die Betriebsstätte ist für alle Unternehmen, aber auch für Freiberufler sowie Steuerpflichtige mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ein steuerlicher Anknüpfungspunkt.
Beraterhinweis Durch die Begründung und Unterhaltung einer Betriebsstätte kann der Unternehmer seine Besteuerung beeinflussen und gestalten, z.B. Steuerausländer durch eine Betriebsstätte im Inland (Gersch in Klein, AO, § 12 Rz. 1; Kumpf, FR 2001, 449).
Der Ort der Betriebsstätte ist insb. für die Bestimmung der Gewerbe-, Lohn- sowie Einkommensteuer von großer Bedeutung. Aber auch das internationale Steuerrecht und insb. die DBA definieren die Steuerpflicht nach dem sog. Betriebsstättenprinzip. Somit hat der Ort der Betriebsstätte je nach Art der Steuer verschiedene rechtliche Folgen. Abgrenzungen sind vor allem dann wichtig, wenn eine der Betriebsstätten im Ausland liegt und sich die Frage nach der beschränkten bzw. unbeschränkten Steuerpflicht stellt.
Die DBA enthalten regelmäßig eigenständige Regelungen über die Betriebsstätte. Diese haben im Geltungsbereich des DBA Vorrang vor § 12 AO, sind aber lediglich dann anwendbar, wenn nach deutschem Recht eine Betriebsstätte im Inland vorliegt (dazu mehr unter Punkt 9).
Beraterhinweis Die verschiedenen betroffenen Rechtskreise verwenden leider häufig unterschiedliche Definitionen des Betriebsstättenbegriffs. Dazu kommt, dass auch allgemein in den letzten Jahren eine starke Tendenz festzustellen ist, den Begriff auszudehnen, so dass u.U. bereits geringe Kriterien für das Vorliegen einer Betriebsstätte genügen.
2. Feste Geschäftseinrichtung oder Anlage
Ob eine Betriebsstätte vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls und vor allem von der Ausprägung der räumlichen und zeitlichen Komponenten ab (BFH v. 22.6.2010 – VII B 244/09, BFH/NV 2010, 2020). Die Begriffe Geschäftseinrichtung und Anlage unterscheiden sich allenfalls bezüglich der Größe der Einrichtung (BFH v. 3.2.1992 – I R 80-81/91, BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462).
Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände mit der Eignung, Grundlage für die Tätigkeit eines Unternehmens zu sein. Eine feste Geschäftseinrichtung setzt eine feste Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist (BFH v. 2.4.2014 – I R 68/12, BStBl. II 2014, 875 = AO-StB 2014, 230; v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601 = AO-StB 2015, 67; s. aber auch Kahlenberg / Kunz, IWB 202, 229, wonach eine örtliche Positionierung ohne notwendigerweise eine feste Verbindung mit der Erdoberfläche als ausreichend angesehen wird). Die örtliche Verknüpfung kann sich nach der Rechtsprechung tatsächlich entweder aus mechanischer Verbindung mit der Erde oder aus bloßer Belegenheit an derselben Örtlichkeit ergeben. Zu den Betriebsstätten zählen auch bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem Standort (z.B. fahrbare Verkaufsstätten mit wechselndem Standplatz, vgl. BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735).
Beraterhinweis Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss in räumlicher Hinsicht dazu geeignet sein, Grundlage für die Tätigkeit des Unternehmens zu sein. Ferner muss der Unternehmer über die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht haben (Gersch in Klein, AO, § 12 Rz. 2).
3. Räumliche Voraussetzungen
Geschäftseinrichtung ist hauptsächlich – aber nicht ausschließlich – ein Gebäude oder ein Raum in einem Gebäude (BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462). Es ist keine bestimmte Größe oder Ausstattung vorgeschrieben, sondern es reicht aus, dass die Räumlichkeit für die unternehmerische Tätigkeit geeignet ist. Auf die Bedeutung für das Unternehmen und den Umfang der Nutzung kommt es nicht an (BFH v. 9.1.2019 – I B 138/17, BFH/NV 2019, 681; Gersch in Klein, AO, § 12 Rz. 3).
Feste Verbindung mit der Erdoberfläche: Die Geschäftseinrichtung muss nicht fest mit der Erdoberfläche verbunden sein. Auch bewegliche Geschäftseinrichtungen oder Anlagen mit vorübergehend festem Standort werden als Betriebsstätte erfasst, z.B. fahrbare Verkaufsstände oder Marktstände mit wechselndem Standplatz (AEAO zu § 12, Ziff. 2). Hier ...