Geschäftsleitung (§ 10 AO), Sitz (§ 11 AO) und Betriebsstätte (§ 12 AO)
[Ohne Titel]
RD’in Ann-Erika Jörißen, LL.M Köln-Paris, Köln
§ 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 KStG unterwerfen alle Körperschaftsteuersubjekte, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland haben, der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Gleiches gilt gem. § 1 Abs. 1 EStG für alle natürlichen Personen, die in Deutschland ihren Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben; diese unterliegen der unbeschränkten, allumfassenden Einkommensteuerpflicht. Hierauf wurde bereits im ersten Teil dieses Beitrages eingegangen. Der zweite Teil dieses Beitrages widmet sich den Begriffen der Geschäftsleitung gem. § 10 AO und des Sitzes gem. § 11 AO sowie deren Bedeutung und Tragweite, aber auch der Betriebsstätte gem. § 12 AO. Insb. wird in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Entwicklungen (und Befürchtungen) bezüglich der Begründung einer Betriebsstätte durch die Beschäftigung von Mitarbeitern im Homeoffice eingegangen.
I. Überblick
Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 2 KStG sind bei juristischen Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. hierzu Teil II dieses Beitrages) die Geschäftsleitung oder der Sitz im Inland. Erzielt eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat, inländische Einkünfte i.S.v. § 2 Nr. 1 KStG, so unterliegt sie der beschränkten Steuerpflicht mit ihren bloßen inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 KStG). Hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse weder Sitz oder Geschäftsleitung im Inland noch inländischen Einkünfte i.S.v. § 2 Nr. 1 KStG, so ist sie in Deutschland (überhaupt) nicht steuerpflichtig.
Damit ist das Begriffspaar Geschäftsleitung – Sitz für Körperschaftsteuersubjekte das Pendant zum Begriffspaar Wohnsitz – gewöhnlicher Aufenthalt für natürliche Personen und insb. im Bereich des internationalen Steuerrechts von großer Relevanz. Aber auch für die örtliche Zuständigkeit der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbssteuer, der Versicherungssteuer und der Feuerschutzsteuer sowie in einer Reihe anderer Regelungen wird steuerrechtlich auf den Ort der Geschäftsleitung abgestellt.
Auch die Betriebsstätte ist ein in der Praxis relevanter steuerlicher Anknüpfungspunkt, von welchem auch, aber nicht nur die beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht abhängt.
II. Geschäftsleitung
1. Bedeutung
Vom Ort der Geschäftsleitung hängen nicht nur
Ferner gilt der Ort der Geschäftsleitung stets als Betriebsstätte (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 AO) und bestimmt das zuständige Finanzamt (§§ 18 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 AO).
Jedes gewerbliche Unternehmen hat eine Geschäftsleitung (BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398).
2. Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung
Gemäß § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Dieser ist wiederum dort, wo sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, abhängig von Struktur und Eigenart des Unternehmens, in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle befindet, an der dauernd die für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (Gersch in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 10 Rz. 2 m.w.N.). Es handelt sich mithin um die Geschäftsführung im engeren Sinn.
Regelmäßig ist das der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäft), sowie organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören, vornehmen. Der Begriff der "Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt", findet sich auch in §§ 116, 164 HGB. Es handelt sich um diejenigen Geschäfte, die in die alleinige Zuständigkeit des Geschäftsführers fallen und keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen. Zu ihnen gehören beispielsweise nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnliche Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite (BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; AEAO zu § 10, Ziff. 3; Wilke/Weber, Lehrbuch internationales Steuerrecht, 16. Aufl. 2022, Rz. 41; Billerbeck, DStR 2024, 184).
Beraterhinweis Bei einer Körperschaft ist der Ort der Geschäftsleitung regelmäßig dort, wo die zur Vertretung befugten Personen ...