Leitsatz
Verfällt eine Option automatisch mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert. ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Streitjahr (2006) Knock-out-Optionen, die wertlos wurden, als der Basiswert eine bestimmte Knock-out-Schwelle berührte oder unterschritt. Der Kläger begehrte den Abzug der Anschaffungskosten für die Optionen als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften. FA und FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.5.2014, 12 K 421/13, Haufe-Index 7202844, EFG 2014, 2037) lehnten dies ab.
Entscheidung
Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Hinweis
Die Entscheidung ist zum alten Recht (vor Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009) ergangen. Sie betrifft das Streitjahr 2006. Der BFH hat eine Änderung seiner stark kritisierten Rechtsprechung für die alte Rechtslage abgelehnt. Aus den Hinweisen im Urteil ergibt sich, dass er eine andere Entscheidung unter der neuen Rechtslage nicht ausschließt.
1. Der Erwerb einer Option führt nur dann zu einem Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, wenn die Option binnen Jahresfrist ausgeübt oder veräußert wird oder wenn es zu einem anderen steuerlich erheblichen Beendigungstatbestand kommt. Das ist insbesondere der Fall, wenn (anstelle des Basisgeschäfts) der Differenzausgleich vorgenommen wird.
2. Dem hat der BFH das Verfallenlassen einer Option (Nichtausübung) gleichgestellt. Dadurch werde ein negativer Differenzausgleich vermieden. Das Gesetz erfasse nicht nur den positiven, sondern auch den negativen Differenzausgleich. Ein wirtschaftlich sinnloses Verhalten könne vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden (BFH, Urteil vom 26.9.2012, IX R 50/09, BFH/NV 2012, 2080).
3. Davon hat der BFH das Wertloswerden von Knock-out-Produkten abgegrenzt. Der Inhaber eines wertlos gewordenen Knock-out-Produkts habe keine Wahl mehr, das Recht auszuüben oder es verfallen zu lassen. Insofern unterscheide sich die Sach- und Rechtslage von der bei einer aus dem Geld gelaufenen Option.
4. Diese Rechtsprechungsgrundsätze hat der BFH in der Besprechungsentscheidung uneingeschränkt bestätigt. Alle noch vom alten Recht Betroffenen müssen ihre Hoffnungen jetzt wohl fahren lassen. Bis zum VZ 2008 einschließlich ist eine andere Entscheidung des BFH so gut wie ausgeschlossen.
5. Der BFH betont, dass diese Auslegung nur für die Rechtslage bis 2008 Geltung beansprucht. In VZ ab 2009 werden die Karten also neu gemischt. Für die Entscheidung ist dann nach dem Geschäftsverteilungsplan des BFH aber nicht mehr der IX. Senat, sondern der VIII. Senat des BFH zuständig. Der Hinweis sollte deshalb nicht überinterpretiert werden. Die neue gesetzliche Zuordnung der privaten Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (ab 2009) hat beim BFH dazu geführt, dass die Zuständigkeit gewechselt hat. Dies hat das Präsidium des BFH bislang nicht rückgängig gemacht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.11.2015 – IX R 20/14