OFD Münster, Verfügung v. 9.6.2011, S 3300 - 87 - St 24 - 35
Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen vom 30.6.2010 (Az. II R 60/08 und II R 12/09) entschieden, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens trotz verfassungsrechtlicher Zweifel jedenfalls für Stichtage bis zum 1.1.2007 verfassungsgemäß sind.
Die vom BFH geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich auf den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964 bzw. 1.1.1935 im Beitrittsgebiet) und die darauf beruhenden Wertverzerrungen stützen, führen vermehrt zu Einsprüchen gegen Nachfeststellungen und Wertfortschreibungen sowie zu Anträgen auf Änderung bzw. Aufhebung des Einheitswertbescheids. Als Begründung wird regelmäßig auf die o.g. BFH-Urteile und die nunmehr beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfassungsbeschwerde (2 BvR 287/11, vorausgegangenes Verfahren: BFH-Urteil vom 30.6.2010, II R 12/09) verwiesen.
Ich bitte, in diesen Fällen wie folgt zu verfahren:
1. Zulässige Einsprüche und zulässige Anträge auf Aussetzung der Vollziehung
Zulässige Einsprüche ruhen aufgrund der beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerde gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bis zur Entscheidung des Gerichtes.
Mit dem Einspruch verbundene Anträge auf Aussetzung der Vollziehung sind abzulehnen, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.
2. Zulässige Anträge auf Änderung oder Aufhebung des Einheitswertbescheids
Die Entscheidung über zulässige Anträge nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO auf Änderung oder Aufhebung des Einheitswertbescheids (Eingang innerhalb der Rechtsbehelfsfrist) ist mit Zustimmung des Antragsstellers zurückzustellen. Dazu kann folgender Textbaustein verwendet werden:
Hiermit bestätige ich den Eingang Ihres Antrags vom [Datum] auf Änderung bzw. Aufhebung des Einheitswertbescheids. Die Entscheidung über Ihren Antrag werde ich bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Verfahren 2 BvR 287/11 zurückstellen, sofern ich innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens keine anderslautende Rückmeldung von Ihnen erhalte. Für den Fall, dass Sie auf einer Entscheidung über Ihren Antrag zum jetzigen Zeitpunkt bestehen sollten, weise ich bereits an dieser Stelle darauf hin, dass bis zur Entscheidung des BVerfG nur eine ablehnende Entscheidung über Ihren Antrag ergehen kann, da das Finanzamt an das geltende Recht gebunden ist.
Der Ablauf der Feststellungsfrist ist gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt, bis über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Besteht der Antragsteller auf einer Entscheidung, ist der Antrag förmlich abzulehnen (vgl. dazu Nr. 6). Ein dagegen gerichteter zulässiger Einspruch ruht gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. Nr. 1).
3. Unzulässige (da verfristete) Einsprüche oder verfristete Anträge
Verspätete und damit unzulässige Einsprüche oder verfristete Anträge nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO gegen Einheitswertbescheide (Eingang außerhalb der Rechtsbehelfsfrist) sind als unzulässig zu verwerfen. Dies erfolgt bei unzulässigen Einsprüchen durch Einspruchentscheidung und bei verfristeten Anträgen durch Ablehnung (s. nachfolgende Textbausteine). Eine Umdeutung gemäß § 357 Abs. 1 AO in einen Antrag auf Änderung bzw. Aufhebung nach § 22 Abs. 3 BewG erfolgt nicht. Eine Ausnahme kann nur in den Fällen angenommen werden, in denen der Einspruch bzw. der Antrag ausschließlich einen Stichtag ab dem 1.1.2011 betrifft (siehe Punkt 5).
Für die Einspruchentscheidung zu einem unzulässigen Einspruch kann folgender Textbaustein verwendet werden:
Gegen den am [Datum] mit einfachem Brief zur Post gegebenen [Bezeichnung] Bescheid legte der Einspruchsführer (Ef) am [Datum] Einspruch ein.
Das Finanzamt hat den Ef am [Datum] auf die Fristversäumnis hingewiesen und aufgefordert, sich hierzu zu äußern und ggfs. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzutragen.
Der Einspruch ist unzulässig, da er nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
Nach der im angefochtenen Steuerbescheid erteilten Rechtsbehelfsbelehrung ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides einzulegen (§ 355 Abs. 1 AO). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Nach § 122 Abs. 2 AO gilt bei Zusendung des Bescheides durch einfachen Brief die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt.
Der angefochtene [Bezeichnung]-Bescheid wurde am [Datum] zur Post gegeben. Die Rechtsbehelfsfrist begann also am [Datum]. Sie endete mit Ablauf des [Datum] (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187, § 188 BGB).
Der Einspruch hätte damit spätestens am [Datum] vorliegen müssen; er ist aber erst am [Datum] beim FA eingegangen, war damit verfristet und ist als unzulässig zu verwerfen (§ 358 AO).
Gründe, die die Verspätung entschuldbar erscheinen lassen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO rechtfertigen, wurden weder vorgetragen, noch sind sie aus den Akten erkennbar.
Für die Ablehnung eines verfristeten Antrags kann der nachfolgende Textbaustein verwendet werden. Die...