Leitsatz

Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der 1999 geltenden Form ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

In den Fällen einer "echten Verschmelzung" führt ein Aktientausch - im Zeitpunkt des Umtauschs - nicht zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Kalenderjahr 1999 u. a. einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt; das Finanzamt veranlagte erklärungsgemäß.

Im Rahmen eines Einspruchs machte der Kläger aus einem im Februar 1999 stattgefundenen Umtausch von Aktien einen zusätzlichen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften geltend, den er aus der Differenz zwischen den Anschaffungskosten der eingetauschten Aktien und dem Kurswert der Aktien im Wert des Umtauschs berechnete. Der obligatorische Aktientausch erfolgte aufgrund einer Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften. Die Anteile an der übertragenden Gesellschaft wurden im Verhältnis 1:1 (provisions- und spesenfrei) umgetauscht.

Das Finanzamt erkannte den zusätzlichen Spekulationsverlust nicht an und wies den Einspruch zurück.

 

Entscheidung

Das Gericht hält die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 weder - wie von den Klägern nachträglich im Rahmen des Klageverfahrens vorgebracht - für verfassungsrechtlich bedenklich noch bezieht es den geltend gemachten Verlust in die Berechnung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ein.

Die vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 09.03.2004 (2 BvL 17/ 02) festgestellte Unvereinbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG a. F. - soweit er Wertpapierveräußerungsgeschäfte betrifft - mit Art. 3 Abs. 1 GG und dessen Nichtigkeit für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 aufgrund eines Vollzugsdefizits sieht der Senat im Urteilsfall für die Vorschrift in der ab 1999 geltenden Fassung nicht gegeben. Gegen diese Auffassung würde zwar sprechen, dass für 1999 immer noch keine Besteuerung an der Quelle eingeführt wurde und die Finanzbehörden keine anderen, weitergehenden Möglichkeiten zur Verifikation der Erklärungen der Steuerpflichtigen gehabt hätten; das Gericht sieht jedoch in der Verlängerung der Haltefrist auf ein Jahr und im nunmehr zugelassenen Verlustvor- bzw. Verlustrücktrag nach § 10 d EStG im Rahmen der Einkunftsart eine wesentliche Änderung des § 23 EStG. Durch die Möglichkeit der Verlustverrechnung würden steuerbare Veräußerungsgewinne durch die ab 2000 immer häufiger - auf die Masse der gesamten Geldanleger gesehen - auftretenden Verluste aufgrund der negativen Kapitalmarktentwicklung ausgeglichen. Zudem würden Steuerpflichtige sich unter Abwägung des (nach Verlustverrechnung) noch verbliebenen Steuervorteils bei Nichterklärung gegenüber dem Entdeckungsrisiko vielfach für die Aufdeckung der Wertpapiergeschäfte entscheiden. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass eine absolute Steuerehrlichkeit und ein Ausschluss von Steuerhinterziehungen nicht erreicht werden könne, da dies auch im Rahmen der anderen Einkunftsarten nicht möglich wäre.

Aus dem o.g. Urteil des Bundesverfassungsgerichts leitet der Senat ab, dass für die Prüfung der Verfassungswidrigkeit einer Norm wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits maßgeblich auf die tatsächlichen äußeren Umstände abzustellen sei, um zu überprüfen, ob eine Ungleichbehandlung schon im Gesetz angelegt ist. Deshalb könne eine verfassungsrechtlich unerhebliche Zahl von Geldanlegern, die ihre Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften verschweigen würde, nicht zu einer relevanten Ungleichbehandlung im Rahmen des Art. 3 GG führen.

Bezüglich des Aktientauschs entsteht nach Auffassung des Gerichts deshalb kein privates Veräußerungsgeschäft im Zeitpunkt des Umtauschs, da es sich im Urteilsfall um eine echte Verschmelzung von übertragender und übernehmender Gesellschaft handelt, so dass die Beteiligungen nach dem Umtausch art-, wert- und funktionsgleich und somit wirtschaftlich identisch sind. Ein privates Veräußerungsgeschäft könne erst bei Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft entstehen. Im übrigen könne es auch dahingestellt bleiben, ob ein Veräußerungstatbestand im Zeitpunkt des Umtauschs erfüllt wäre, da in diesem Fall die Anteile der übergebenden Gesellschaft als mit ihren Anschaffungskosten veräußert und die Anteile der übernehmenden Gesellschaft als mit diesem Wert als angeschafft gelten würden, so dass kein Gewinn oder Verlust entstünde.

 

Hinweis

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Aktenzeichen des BFH ist IX R 49/ 04.

Sofern Einkommensteuerbescheide keinen Vorläufigkeitsvermerk mehr enthalten, der bis ca. Mai 2004 i. d. R. automatisch gesetzt wurde, empfiehlt es sich, die Bescheide in einschlägigen Fällen mit einem Einspruch offen zu halten.

 

Link zur Entscheidung

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.08.2004, 2 K 1633/02

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge