Leitsatz
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird nach Abzug der Werbungskosten ein Sparerfreibetrag abgezogen. Dieser betrug in den Kalenderjahren vor 2000 für Ehegatten 12.000 DM und beträgt ab dem Jahre 2000 nur noch 6.000 DM. Der halbierte Sparerfreibetrag wird auch dann angesetzt, wenn die Zinseinkünfte aus mehreren Jahren stammen. Das kann zu Härten führen, wenn die zusammengeballten Zinseinkünfte aus Jahren vor 2000 stammen. Das FG Hamburg entschied nun, dass keine verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, bei Zinsen, die vor 2000 entstanden, aber erst in 2000 ausgezahlt werden, den halben Sparerfreibetrag anzuwenden.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen hatten im Jahre 1995 einen abgezinsten Sparbrief über 31.000 DM mit einer Laufzeit von 5 Jahren erworben. Im Jahre 2000 erhielten sie neben der Rückzahlung des eingezahlten Kapitals die in den 5 Jahren angesammelten Zinsen von 9.170 DM ausgezahlt. Der Sparbrief konnte vor Ablauf der 5-Jahresfrist nicht gekündigt werden. Insgesamt betrugen die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Jahre 2000 10.381 DM, von denen das FA einen Sparerfreibetrag von 6.000 DM abzog. Die Steuerpflichtigen begehrten den Freibetrag von 12.000 DM, weil sie im Zeitpunkt der Anschaffung des Sparbriefes auf die bestehende Rechtslage vertraut hätten und ihre darauf beruhende Investition von erheblichem finanziellen Gewicht sei.
Entscheidung
Das FG entschied, dass die Halbierung des Sparerfreibetrag verfassungsgemäß und der halbierte Betrag auf alle Fälle ab 2000 anzuwenden sei. Die Formulierung des Gesetzestextes lasse keine Zweifel an ihrer uneingeschränkten Anwendbarkeit zu. Auch in Rechtsprechung und Literatur würden keine Zweifel geäußert werden. Der Gesetzgeber habe keine Ausnahmen von der sofortigen Anwendung des neuen halbierten Sparerfreibetrages vorgesehen. Deshalb unterlägen auch zusammengeballte Einkünfte aus verschiedenen Jahren der Gesetzeslage ab 2000. Die entsprechende Gesetzesänderung trat am 24.03.1999 und damit vor dem Beginn des Veranlagungszeitraums 2000 in Kraft; das Gesetz wirkte somit nicht unzulässig zurück. Dass hier ein Vertrag besteuert werde, der 4 Jahre zuvor begann und erst 1 Jahr nach der Gesetzesverkündung endete, stelle eine unechte Rückwirkung dar, die zulässig sei. Diese Zulässigkeit könne nicht in Frage gestellt werden, denn die Steuerpflichtigen hätten nicht ohne weiteres auf die alte Rechtslage vertrauen dürfen, weil die Besteuerung der Zinseinkünfte in der Entwicklung gewesen sei, der Gesetzgeber Freibeträge nicht für alle Zukunft aufrechterhalte und ihm die Überprüfung von Freibeträgen in Zeiten der knappen finanziellen Ausstattung des Staates zustehen müsse. Die Steuerpflichtigen hätten deshalb damit rechnen müssen, dass sich eine Änderung des Sparerfreibetrages ergeben könnte. Durch den Abschluss eines befristeten und vorher nicht kündbaren Vertrages hätten sie selbst eine Gefährdung ihrer Interessen geschaffen. Darüber hinaus sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, Übergangslösungen zu entwickeln.
Hinweis
Gegen diese Finanzgerichtsentscheidung ist beim BFH unter dem Az. VIII R 91/03 eine Revision anhängig. Vergleichbare Einspruchsverfahren können deswegen bis zur Entscheidung über diese Revision zum Ruhen gebracht werden. Außerdem kann sich derjenige, der sich grundsätzlich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen wendet, auf ein beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 620/03 geführtes Verfahren beziehen und ebenfalls eine Verfahrensruhe in seinem Fall erlangen. Im Übrigen ist zu beachten, dass ab dem Jahre 2004 der Sparerfreibetrag nur noch 1.370 EUR und für Ehegatten 2.740 EUR beträgt. Sparer sollten künftig darauf achten, Zinserträge ich gleichmäßiger Höhe zu erzielen oder die Auszahlung zusammengeballter Zinserträge so zu gestalten, dass sie mit Verlusten verrechnet werden können oder dass sie wegen Eintritts in den Ruhestand nicht mehr neben laufenden Lohneinkünften versteuert werden. Schließlich gibt es am Kapitalmarkt Anlageformen, bei denen es nicht zu steuerbarem Ertrag kommt. Hier ist allerdings auf eine seriöse Beratung zu achten.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 12.09.2003, II 411/02