Leitsatz
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) gegen Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt.
Normenkette
§ 43 Abs. 14 Sätze 2 und 3 KAGG i. d. F. des UntStFG, § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i. d. F. des StSenkG, § 8b Abs. 2 KStG, § 3 Nr. 40 EStG, Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1, Art. 76 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine AG, hielt im Jahr 2001 (Streitjahr) sämtliche Anteilscheine an den Wertpapier-Sondervermögen der X‐Spezialfonds im Direktbestand. Am 3.12.2001 beschlossen die X‐Spezialfonds Zwischenausschüttungen, in denen ausländische Altveräußerungsgewinne i. H. v. … DM (… EUR) enthalten waren. Diese Ausschüttungen wurden der Klägerin am 6.12.2001 gutgeschrieben. Die Klägerin behandelte die Ausschüttungen zunächst nach Maßgabe des § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i. d. F. des UntStFG vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) in voller Höhe als steuerpflichtige Beteiligungserträge.
Gegen den erklärungsgemäß ergangenen KSt-Bescheid für das Streitjahr legte sie Einspruch ein und begehrte eine außerbilanzielle Kürzung nach § 43 Abs. 14 Satz 2, § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KAGG i. V. m. § 8b Abs. 2 KStG, alle jeweils i. d. F. des StSenkG vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428), in Höhe der ausgeschütteten ausländischen Altveräußerungsgewinne. Die Anwendung dieser vor Änderung durch das UntStFG geltenden Rechtslage begründete sie damit, dass § 43 Abs. 14 Sätze 2 und 3 KAGG i. d. F. des UntStFG aufgrund einer unzulässigen Rückwirkung verfassungswidrig sei.
Im Einspruchsverfahren erging am 30.9.2005 ein Änderungsbescheid, der den Ansatz der Beteiligungserträge aus den Wertpapier-Sondervermögen nicht betraf. Ferner erging am 8.3.2012 ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur KSt zum 31.12.2001 und ein Bescheid zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, gegen die die Klägerin ebenfalls Einspruch einlegte. Sämtliche Einsprüche blieben in Bezug auf die steuerliche Behandlung der von den Wertpapier-Sondervermögen ausgeschütteten ausländischen Altveräußerungsgewinne ohne Erfolg.
Der dagegen erhobenen Klage gab das FG in Bezug auf die im späteren Revisionsverfahren streitige Behandlung der von den Wertpapier-Sondervermögen ausgeschütteten ausländischen Altveräußerungsgewinne statt (FG München, Gerichtsbescheid vom 5.2.2020, 7 K 3182/17, Haufe-Index 13876823).
Entscheidung
Der BFH hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die im Leitsatz genannte Frage zur Entscheidung vorgelegt.
Hinweis
1. Die Entscheidung betrifft die Investmentbesteuerung nach dem KAGG und damit Altfälle. Denn das KAGG wurde durch das InvStG 2004 und dieses durch das InvStG 2018 abgelöst.
2. In materiell-rechtlicher Hinsicht streiten die Beteiligten darüber, ob Wertpapier-Sondervermögen Gewinne aus vor dem 1.1.2001 veräußerten Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, die auf Ebene des Sondervermögens zunächst thesauriert wurden (ausländische Altveräußerungsgewinne), ab dem 1.1.2001 steuerfrei an körperschaftsteuerpflichtige Anleger ausschütten konnten. Die Beantwortung dieser Frage hängt indes entscheidend von der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer vom Gesetzgeber Ende 2001 eingefügten Sonderregelung ab.
3. Mit dieser Sonderregelung (§ 43 Abs. 14 Sätze 2 und 3 KAGG i. d. F des UntStFG) hat der Gesetzgeber im Dezember 2001 der Sache nach eine für das gesamte Jahr 2001 anwendbare Regelung für Altveräußerungsgewinne getroffen, die zur Steuerpflicht der Ausschüttung dieser Gewinne führte. Nach der vor Einführung der Sonderregelung geltenden Rechtslage war die Ausschüttung der Altveräußerungsgewinne als steuerfrei zu qualifizieren.
4. Vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtsentwicklung stellten sich dem BFH im Wesentlichen zwei Fragen:
a) Geht mit der genannten Sonderregelung eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung einher? Damit ist die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes angesprochen.
b) Kam die Sonderregelung in verfassungsmäßiger Weise zustande? Damit ist die formelle Verfassungsmäßigkeit der Norm angesprochen.
5. Die Besprechungsentscheidung fokussiert sich ganz auf die Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit. Dem liegt im Wesentlichen zugrunde, dass die fragliche Sonderregelung im ursprünglichen Gesetzesentwurf zum UntStFGnicht enthalten war, sondern erst durch eine Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschuss den Weg in das UntStFG fand.
6. Zu dieser formell-rechtlichen verfassungsrechtlichen Problematik existiert eine klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Rechtsprechung wende...