Leitsatz
Das FG Rheinland-Pfalz ist der Auffassung, dass die Besteuerung der Kursgewinne bei einem Verkauf von Reverse Floatern vor deren Endfälligkeit der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG unterliegt. Die Gesetzesänderung durch das StÄndG 2001, die eine solche Versteuerung erst möglich macht, entfalte insoweit keine unzulässige Rückwirkung. Diese Gesetzesänderung sei nur "klarstellend" gewesen. Allerdings seien generelle verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Versteuerung dieser Kursgewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht ausgeschlossen.
Sachverhalt
Die Kläger hatten im Jahr 1997 so genannte Reverse Floater mit Gewinn veräußert, die sie bereits im Jahr 1993 und damit außerhalb der Spekulationsfrist angeschafft hatten. Die von den Klägern erworbenen Floater besaßen neben einer anfänglich festen Verzinsung eine Festlegung, wonach für die Folgezeit eine Verzinsung in Höhe eines festen Satzes abzüglich eines veränderbaren Marktzinses erfolgte. Das Finanzamt versteuerte den Veräußerungsgewinn nach der "Marktrendite" nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4Satz 2 EStG. Die von den Klägern veräußerten Schuldverschreibungen seien mit einer variablen Verzinsung ausgestattet und somit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG zu versteuern. Da sie im Übrigen nicht über eine Emissionsrendite verfügten, sei der steuerpflichtige Kapitalertrag durch Ermittlung der Differenz zwischen Verkaufserlös und Entgelt für den Erwerb (Marktrendite) zu ermitteln.
Entscheidung
Das FG bestätigt, dass bei Floatern und Reverse Floatern die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt und daraus resultierend Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden. Die Erträge unterlägen damit der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG. Reverse Floater haben auch keine von vornherein berechenbare Emissionsrendite. Eine solche Emissionsrendite sei auf die Besitzzeit des Anlegers zu berechnen. Zwar könne bei den von den Klägern erworbenen Floatern eine Mindestrendite berechnet werden, nicht aber die tatsächliche, auf die Besitzzeit entfallende Rendite. In Ermangelung einer nicht von vornherein berechenbaren Emissionsrendite habe das Finanzamt zu Recht die Gewinne aus der Veräußerung der Floater nach der Marktrendite ermittelt und versteuert. Das FG hat allerdings in zweierlei Hinsicht verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Versteuerung: Verfassungsrechtlich zweifelhaft sei es, ob bei Kapitalanlagen ohne von vornherein berechenbare Emissionsrendite überhaupt die Marktrendite besteuert werden dürfe. Die Besteuerung über die Marktrendite erfasse Kursgewinne und damit Wertsteigerungen des Kapitals. Das System der Besteuerung von Kapitaleinkünften wird aber von dem Grundsatz beherrscht, dass zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als Frucht des Kapitals zu unterscheiden ist. Wertveränderungen des Kapitals werden dabei grundsätzlich nicht besteuert. Insoweit bestehen bei der Besteuerung von Kapitalanlagen ohne Emissionsrendite nach der Marktrendite Bedenken in Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Auf Kursänderungen beruhende Gewinne seien als "verdeckter" Kapitalertrag bei solchen Kapitalanlagen steuerpflichtig, während dies bei Veräußerungsgewinnen, die z. B. auf Kursänderungen von festverzinslichen Wertpapieren oder Aktien beruhen, unstreitig nicht der Fall sei. Für diese Ungleichbehandlung fehle ein sachlich einleuchtender Grund. Allerdings verzichtet das FG auf eine Vorlage an das BVerfG, weil es nicht für ausgeschlossen hält, dass es sachgerecht ist, den bei der Veräußerung von Floatern erzielten Kursgewinn ähnlich einem Zinsertrag zu versteuern. Weiterhin sieht das FG verfassungsrechtliche Probleme darin, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4Satz 2 EStG erst durch das StÄndG 2001 so geändert wurde, dass auch Veräußerungsgewinne bei fehlender Emissionsrendite versteuert werden. § 52 Abs. 37b EStG sieht eine Anwendung dieser Gesetzesänderung auf alle noch offenen Fälle und damit rückwirkend vor. Diese Rückwirkung sei jedoch ausnahmsweise vertretbar. Mit der Einführung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG im Jahr 1993 wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören. Dies wurde durch das Urteil des BFH vom 24.10.2000, BStBl II 2001 S. 97, in Frage gestellt. Die Auslegung des BFH, wonach die Marktrendite nur dann der Besteuerung zu Grunde gelegt werden darf, wenn die betreffende Kapitalanlage tatsächlich auch eine Emissionsrendite hätte, stehe im Widerspruch zu dem damaligen Willen des Gesetzgebers, der mit der Neuregelung durch das StMBG im Jahr 1993 auch die im Kurs der Papiere enthaltenen Erträge habe besteuern wollen. Deshalb hält es das FG für vertretbar, in der Gesetzesänderung 2001 eine ausnahmsweise zulässige Rückwirkung zur Beseitigung einer unklaren Rechtslage...