Leitsatz
Sind der Körperschaftsteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbescheid des Verlustentstehungsjahres bestandskräftig (geworden) und berücksichtigen diese einen geringeren Verlust als vom Steuerpflichtigen begehrt, ist die Änderung eines Bescheides über den verbleibenden Verlustvortrag und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG nur zulässig, soweit eine Korrektur der Steuerbescheide nach den Vorschriften der AO hinsichtlich der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte (noch) möglich ist und diese der Steuerfestsetzung tatsächlich zugrunde gelegt worden sind.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010, § 35b Abs. 2 Sätze 2 und 3 GewStG i.d.F. des JStG 2010, § 133 BGB, § 164, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) berücksichtigte in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung zum 31.12.2011 Zahlungen an B i.H.v. 24.791,41 EUR für "Fremdarbeiten" als Betriebsausgaben.
Im Rahmen eines Benennungsverlangens nach § 160 AO wies das FA darauf hin, dass es sich nach Mitteilung des BZSt bei B um eine wirtschaftlich nicht aktive Domizilgesellschaft handele. Die Klägerin legte ein "Memo" der B vor, nach dem es sich dabei um eine Verwechselung zweier gleichnamiger Gesellschaften handele.
Am 6.11.2013 erließ das FA Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2011 mit einer festgesetzten Körperschaftsteuer von 0 EUR und einem Gewerbesteuermessbetrag von 0 EUR. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2011 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 blieben die als Betriebsausgaben geltend gemachten Fremdleistungen unberücksichtigt.
Die Klägerin legte zunächst gegen alle Bescheide Einsprüche ein und begehrte die Berücksichtigung der geltend gemachten Fremdleistungen als Betriebsausgaben. Diese wies das FA als unbegründet zurück.
Die Klägerin erhob dagegen Klage ausdrücklich nur wegen der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2011 und sie legte in der Klagebegründung dar, die Klage gegen diese Bescheide sei zulässig und beabsichtigt.
Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.4.2017, 10 K 10105/15, Haufe-Index 10921461, EFG 2017, 1179) wies die Klage ab. Wegen der Bestandskraft des Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheides für 2011 komme eine Verlustfeststellung in begehrter Höhe nicht in Betracht.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Er sah auch keine Möglichkeit zur rechtsschutzgewährenden Auslegung gegen den erklärten Willen der Klägerin.
Hinweis
1. Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG) sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des VZ, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des VZ, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; u.a. § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG, § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG). Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG, § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG).
2. Dies führt dazu, dass der Steuerpflichtige leicht in eine Falle tappen kann: Wird der Steuer(mess)bescheid bestandskräftig, kann der Steuerpflichtige im Verlustfeststellungsbescheid, keinen höheren Verlust begehren als im Steuer(mess)bescheid angesetzt ist (BFH, Urteile vom 12.7.2016, IX R 31/15, BFH/NV 2017, 100, BFH/PR 2017, 44; BFH, Urteil vom 11.10.2017, IX R 15/17, BFH/NV 2018, 433). Der Steuerpflichtige (kann und) muss ggf. gegen die Festsetzung der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer oder des Gewerbesteuermessbetrags auf 0 EUR klagen, wenn der Festsetzung ein aus seiner Sicht zu hoher Gesamtbetrag der Einkünfte zugrunde liegt, der zur Feststellung eines zu niedrigen Verlustvortrags führt (BFH, Urteil vom 7.12.2016, I R 76/14, BFH/NV 2017, 847, BFH/PR 2017, 229, BStBl II 2017, 704; BFH, Urteil vom 22.2.2018, VI R 17/16, BFH/NV 2018, 768).
3. Aufgrund der Unübersichtlichkeit und Komplexität der verfahrensrechtlichen Lage hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Steuer(mess)bescheid einerseits und dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs andererseits sind Behörden und Gerichte allerdings zur rechtsschutzgewährenden Auslegung verpflichtet: Selbst ein von einem St...