Seit 2015 gelten in Bezug auf die in § 371 AO geregelte Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung strengere Anforderungen hinsichtlich der Vollständigkeit einer Selbstanzeige. Nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO muss die Berichtigungserklärung alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart (Alt. 1), mindestens aber alle Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre umfassen (Alt. 2). Außerdem sind in § 371 Abs. 2 AO Sperrgründe geregelt, bei deren Vorliegen Straffreiheit nicht eintritt.
Gleichzeitig enthält § 371 Abs. 2a AO bei der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuer-Voranmeldung Erleichterungen, wenn der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Der Gesetzgeber entspricht mit dieser Vorschrift den Anforderungen der Praxis, wonach Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgrund von Terminversäumnissen oder Betragsabweichungen und bedingt durch unternehmerischen Zeitdruck, versäumten internen Abstimmungen oder nicht hinreichenden Absprachen mit dem Steuerberater korrigiert werden müssen.
Daher gilt für Umsatzsteuer-Voranmeldungen das Vollständigkeitsgebot nicht. Soweit die Umsatzsteuer-Voranmeldungen "berichtigt" werden, sind wirksame Selbstanzeigen und auch Teilselbstanzeigen möglich, ohne dass für alle weiteren unverjährten Taten bezüglich derselben Steuerart ebenfalls Selbstanzeigen abgegeben werden müssten. Der Sperrgrund der Hinterziehung von mehr als 25.000 EUR (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) greift ebenfalls nicht ein (§ 371 Abs. 2a Satz 1 AO). Daher ist bei (Teil-)Selbstanzeigen unabhängig von der Höhe der verkürzten Steuer kein Geldbetrag nach § 398a AO zu zahlen. Möglich ist wohl auch eine Teilselbstanzeige für einzelne Voranmeldungszeiträume nach Abgabe der Jahreserklärung. Die Vorschrift § 371 Abs. 3 Satz 2 AO regelt, dass die fristgerechte Zahlung von Hinterziehungszinsen bei einer korrigierten oder verspäteten Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Lohnsteuer-Anmeldung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Straffreiheit darstellt.
Der Gesetzeswortlaut ("soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist") könnte dahingehend verstanden werden, dass Teilselbstanzeigen nur nach nicht fristgemäßer Abgabe wirksam sind, jedoch nicht im Falle der fristgerechten Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Voranmeldung. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich jedoch ausdrücklich, dass der Gesetzgeber sowohl die korrigierte als auch die verspätete Umsatzsteuervoranmeldung wieder als wirksame Teilselbstanzeige anerkennen wollte. Eine wirksame Teilselbstanzeige liegt deshalb auch vor, soweit eine zwar rechtzeitig, aber unvollständig abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung korrigiert wird.
Außerdem gewährleistet die Regelung, dass auch eine mehrfache Korrektur von Umsatzsteuer-Voranmeldungen möglich ist. Durch § 371 Abs. 2a Satz 2 AO wird der Sperrgrund der Tatentdeckung ausgeschlossen, wenn die Entdeckung darauf beruht, dass eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Beruht aber die Entdeckung – unabhängig von der Korrektur durch den Steuerpflichtigen – auf anderen Gründen, z.B. weil entsprechendes Kontrollmaterial vorliegt, wird der Sperrgrund der Tatentdeckung nicht aufgehoben.
Im Gegensatz dazu ist aber die wirksame Selbstanzeige zur Umsatzsteuer-Jahreserklärung von der eingeschränkten Sperrwirkung ausgeschlossen, so dass hier für alle unverjährten Taten bezüglich derselben Steuerart ebenfalls Selbstanzeigen abgegeben werden müssen. Der Sperrgrund der Hinterziehung von mehr als 25.000 EUR (§ 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) greift ebenfalls. Straffreiheit tritt damit bei einem erlangten nicht gerechtfertigten Steuervorteil von mehr als 25.000 EUR nicht ein. Es kann aber von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen werden, wenn ein Zuschlag, abhängig von der Höhe der hinterzogenen Steuern, von 10 % bis 20 % gezahlt wird (§ 398a AO).
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob auch weiterhin allein durch die kommentarlose Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung fehlerhafte Angaben in einzelnen Voranmeldungen berichtigt werden können. Wenn die Umsatzsteuer-Jahreserklärung im Verhältnis zur falschen Voranmeldung einen eigenen Unrechtsgehalt aufweist, könnte die Selbstanzeige voraussetzen, dass die unzutreffende Voranmeldung ausdrücklich korrigiert werden muss. Dagegen spricht jedoch, dass bei wertender Betrachtung hinsichtlich des Vollständigkeitsgebots der Unwertgehalt der Jahreserklärung ebenfalls den Unwertgehalt der Voranmeldung umfasst. Außerdem bilden Voranmeldung und Jahreserklärung eine einheitliche Tat i.S.d. § 264 StPO. Eine Aufgliederung für Zwecke der Selbstanzeige wäre eine übertriebene und unnötige formale Anforderung. Dahe...