1. Die möglichen Ermittlungshandlungen
Die Verjährung wird durch bestimmte, enumerativ in § 78c StGB aufgeführte Ermittlungshandlungen unterbrochen, was bedeutet, dass nach jeder wirksamen Unterbrechung die Verjährung von Neuem beginnt (§ 78c Abs. 3 S. 1 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO).
Die Verjährung wird insb. durch folgende Maßnahmen unterbrochen:
- die erste Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung (z.B. durch die Steufa);
- die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (z.B. durch die BuStra);
- jede richterliche Vernehmung oder deren Anordnung (z.B. durch den Haftrichter);
- jede sich gegen den Tatverdächtigen als Inhaber der betreffenden Räumlichkeiten richtende richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung;
- die Beauftragung eines Sachverständigen (durch den Richter, Staatsanwalt oder die BuStra, nicht aber durch die Polizei, Steuer- oder Zollfahndung) nach vorheriger Beschuldigtenvernehmung oder Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung;
- Erlass eines Haftbefehls (auch wenn dessen Vollzug nach § 116 StPO ausgesetzt wird, str.);
- Rechtshilfeersuchen an das Ausland;
- Anklageerhebung;
- Eröffnung des Hauptverfahrens;
- jede Anberaumung einer Hauptverhandlung;
- Erlass eines Strafbefehls (nicht bereits der Antrag auf dessen Erlass nach § 400 AO!).
2. Anordnung der Maßnahmen
Es genügt für eine Verjährungsunterbrechung, dass die entsprechende Anordnung oder Entscheidung unterzeichnet ist, wenn das Schriftstück alsbald danach in den Geschäftsgang gelangt ist (§ 78c Abs. 2 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO).
3. Abschließender Katalog
Zu beachten ist, dass der Katalog der Unterbrechungstatbestände in § 78c StGB als abschließend zu verstehen ist, so dass die analoge Anwendung einzelner Vorschriften hier nicht in Betracht kommt. So unterbricht ein richterlicher Beschluss zur Telekommunikationsüberwachung gem. §§ 100a ff. StPO nicht die Verjährung (BGH v. 29.9.2004 – 1 StR 565/03, wistra 2005, 27; Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 167 [August 2018]).
4. Mehrere Taten
Die Unterbrechung der Verjährung umfasst die Tat im prozessualen Sinne (§ 264 Abs. 1 StPO), also das konkrete geschichtliche Ereignis, dessen Strafbarkeit in Frage steht, i.d.R. vollumfänglich. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft, BuStra, Steufa, Zollfahndung usw.) sich erkennbar nur auf einzelne Taten oder Tatteile beschränkt. Es entscheidet insoweit der Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden (BGH v. 25.6.2015 – 1 StR 579/14, NZWiSt 2015, 459; v. 7.5.1996, 4 StR 687/95, wistra 1996, 260; Heerspink in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 139 [April 2021]; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. 2023, § 78c Rz. 21; Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 78c StGB Rz. 23; Asholt in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 376 AO Rz. 84).
Tateinheit eines Steuerdelikts mit einem allgemeinen Delikt: Der BGH hat entschieden, dass die Einleitung des Steuerstrafverfahrens durch die BuStra oder Steufa bzw. die Zollfahndung im Falle der Tateinheit eines Steuerdelikts mit einem allgemeinen Delikt nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB verjährungsunterbrechende Wirkung auch für das Nichtsteuerdelikt hat (BGH v. 24.10.1989 – 5 StR 238-239/89, BGHSt 36, 283; ebenso OLG Braunschweig v. 24.11.1997, – Ss (S) 70/97, NStZ-RR 1998, 212; Nikolaus in Schwarz/Pahlke/Keß, AO, § 376 Rz. 33 [September 2023]; Ebner in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 AO Rz. 68; Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 376 Rz. 82; Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 89 [August 2018]); str.; a.A. OLG Frankfurt v. 5.9.1986 – 1 Ws 163/86, wistra 1987, 32; Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 78c Rz. 23; wohl auch Bilsdorfer in Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Steuerstrafrecht-Kommentar, 4. Aufl. 1986, Rz. 330; differenzierend Bülte in Hübschmann/Haepp/Spitaler, AO/FGO, § 376 AO Rz. 136 [August 2021]).