a) Dreistufiges Verfahren der Grundsteuerfestsetzung
Neben den genannten Szenarien der doppelstöckigen Personengesellschaften und den Zurechnungsfeststellungen nach § 14 AStG a.F. ist das Verfahren der Grundsteuerfestsetzung ein weiteres Beispiel zur Anwendung des § 181 Abs. 5 S. 1 AO in mehrstufigen Feststellungsverfahren. Der Gesetzgeber hat für die Festsetzung der Grundsteuer ein Verfahren über drei Stufen festgelegt.
- Auf der ersten Stufe stellt das FA den Grundsteuerwert (nach alter Rechtslage und hierzu ergangener BFH-Rechtsprechung: Einheitswert) fest.
- Auf der zweiten Stufe setzt das FA den Steuermessbetrag fest,
- auf der dritten und letzten Stufe wird letztlich die Grundsteuer festgesetzt.
Der BFH hatte in seinem Urteil v. 11.11.2009 (BFH v. 11.11.2009 – II R 14/08, BFHE 228, 1 = AO-StB 2010, 102) zu entscheiden, ob eine Korrektur des Einheitswertbescheids auf erster Stufe trotz eingetretener Feststellungsverjährung auf Basis des § 181 Abs. 5 S. 1 AO erfolgen darf, wenn auf der zweiten Stufe der Messbetragsfestsetzung auch Verjährung eingetreten ist aber auf Ebene der dritten Stufe in Form der Steuerfestsetzung Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Dabei hat der BFH zurecht hervorgehoben, dass der Einheitswertbescheid alleiniger Grundlagenbescheid für den Grundsteuermessbescheid und dieser wiederum alleiniger Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid ist. Der Einheitswertbescheid ist dementsprechend kein Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid. Im Ergebnis kommt der BFH für das dreistufige Verfahren der Grundsteuerfestsetzung zu der Überzeugung, dass eine Korrektur des Einheitswertbescheids auf der ersten Stufe nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO zulässig ist, wenn die Steuerfestsetzung auf der dritten Stufe noch möglich ist (vgl. BFH v. 11.11.2009 – II R 14/08, BFHE 228, 1 = AO-StB 2010, 102). Für Zwecke der Grundsteuerfestsetzung darf im Rahmen der Verjährung nach dieser BFH-Rechtsprechung die zweite Stufe der Messbetragsfestsetzung also "übersprungen" werden.
Diese Rechtsprechung ist m.E. konsequent und zu begrüßen. Die Begründung des BFH, dass sowohl die Feststellung des Einheitswerts als auch die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags eine dienende Funktion für die Grundsteuerfestsetzung innehaben, die eine entsprechende Anwendung des § 181 Abs. 5 S. 1 AO rechtfertigt, überzeugt vollumfänglich. Der BFH führt in seinem Urteil zur Begründung weiter aus, dass eine vom Gesetzgeber festgelegte Festsetzungstechnik über drei Stufen nicht zum Nachteil für den Steuerpflichtigen gegenüber einer möglichen Festsetzung über zwei Stufen führen darf.
Aus dieser Urteilsbegründung folgt m.E. konsequent, dass die Grundsätze zum "Überspringen" der zweiten Stufe im Rahmen des § 181 Abs. 5 S. 1 AO nicht pauschal auf andere, mehrstufige Feststellungsverfahren außerhalb der Grundsteuer übertragen werden können. Für Zwecke der Grundsteuer erschöpft sich der Zweck der Festsetzung über drei Stufen ausschließlich in der Technik der Steuerfestsetzung. Dass die Feststellung auf der ersten Stufe für die Festsetzung auf der dritten Stufe eine dienende Funktion hat, ist im Grundsteuerverfahren unzweifelhaft. Die drei Stufen der Grundsteuerfestsetzung bestehen ausschließlich aus Gründen der Verfahrensaufteilung und -erleichterung. Es handelt es also um reine Festsetzungstechnik, die durch den Gesetzgeber festgelegt wurde. Dabei steht stets fest, welcher Schritt auf welcher Stufe mit welcher Auswirkung vollzogen wird.
Bei mehrstufigen Feststellungen außerhalb der Grundsteuerfestsetzung (z.B. mehrstöckige Personengesellschaften oder Feststellungen nach § 14 AStG a.F.) steht jedoch der weitere Prozess nach jeder Stufe nicht pauschal fest. Die Struktur hinter den mehrstufigen Feststellungsverfahren ergibt sich nicht aus einer vom Gesetzgeber festgelegten Technik zur Verfahrenserleichterung, sondern aus diversen anderen, größtenteils unternehmerischen Gründen und Entscheidungen. Soll die Feststellung der ersten Stufe geändert werden, kann im Gegensatz zum Grundsteuerverfahren nicht pauschal klar sein, was auf den nächsten Stufen passiert bzw. wie viele nächste Stufen überhaupt vorhanden sind. In mehrstufigen Feststellungsverfahren von bspw. mehrstöckigen Personengesellschaften oder Sachverhalten nach § 14 AStG a.F. können auf der jeweils nächsten Stufe steuerliche Ereignisse eintreten, die m.E. eine "dienende Funktion" der Feststellung auf der ersten Stufe für die Steuerfestsetzung auf der letzten Stufe nicht pauschal zulassen.
Ergibt sich beispielsweise bei der Feststellung auf der zweiten (bzw. jeweils nachfolgenden) Stufe ein Verlustausgleich, eine ausländische Hinzurechnungsbesteuerung, eine Quellenbesteuerung oder Ähnliches, kommt die Feststellung der ersten Stufe nicht in der Form bei der Steuerfestsetzung auf der letzten Stufe an (wenn sie denn überhaupt ankommt), dass eine zwingend dienende Funktion bejaht werden kann. Je mehr Stufen zwischen der Feststellung auf der ersten Stufe und der Steuerfestsetzung auf der letzten Stufe stehen, desto größer wird der beschriebene Effekt. De...