Kommentar
In dem belgischen Verfahren ging es um zwei verschiedene Rechtsfragen. Streitig waren die belgische Regelung über die Verjährung von Umsatzsteueransprüchen und die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage bei der Überlassung eines Fahrzeugs an einen Arbeitnehmer, wenn das Fahrzeug nicht in Belgien, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat gemietet wird.
Der Gerichtshof hat entschieden, daß die 6. EG-Richtlinie nicht die Verjährung eines Umsatzsteueranspruchs regelt. Verjährungsfristen sind Sache der einzelnen Mitgliedstaaten. Solche Regelungen dürfen indes nicht belastender wirken als vergleichbare Regelungen zu Rechtsbereichen, die sich nicht aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten lassen und die innerstaatlichen Regelungen dürfen die durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte weder praktisch unmöglich machen noch übermäßig erschweren.
Die belgische Regelung, wonach der Vorsteueranspruch schneller verjährt als der Anspruch des Steuergläubigers auf die Umsatzsteuer, verstößt nach dem Urteil nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Verwaltung habe nämlich erst später als der Steuerpflichtige Kenntnis von den Umsatzsteueransprüchen bzw. den Vorsteuerabzugsrechten des Steuerpflichtigen.
Dem EuGH ist zuzustimmen, daß Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie nur die materiellen Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft regelt. Diese ist insbesondere nicht davon abhängig, wann der Betroffene als Unternehmer registriert bzw. erfaßt wird. Artikel 10 der 6. EG-Richtlinie regelt lediglich den materiellen Steuertatbestand und den Steueranspruch, nicht aber die Festsetzungs- bzw. Zahlungsverjährung. Der Hinweis in der Vorschrift, daß der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an den Steueranspruch auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, zeigt vielmehr ausdrücklich, daß die Zahlungsfristen sich nach dem jeweiligen nationalen Recht richten und nicht harmonisiert sind. Die Bestimmungen über den Zeitpunkt des Entstehens des Steuertatbestandes und des Steueranspruchs waren lediglich erforderlich, um andere materielle Voraussetzungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in der 6. EG-Richtlinie regeln zu können, wie z.B. die Fristen über die Rechnungsausstellung, den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs und die Festlegung des Steuererklärungszeitraums.
Bei den Sachzuwendungen ging es um den Fall, daß ein belgisches Unternehmen von einem in Luxemburg ansässigen Unternehmen ein Fahrzeug gemietet und einem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt hatte. Die Bemessungsgrundlage für diese Sachzuwendung enthielt auch die auf der Miete für das Fahrzeug lastende luxemburgische Umsatzsteuer. Demgegenüber war die Steuer nicht in der Bemessungsgrundlage enthalten, wenn die Miete des Fahrzeugs mit belgischer Mehrwertsteuer belastet war.
Der EuGH hat entschieden, es verstößt gegen die 1. und die 6. EG-Richtlinie, die Mehrwertsteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen oder nicht, je nach dem, ob das überlassene Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat oder im Inland gemietet worden ist. Dies läßt einige Fragen offen. Der EuGH könnte so verstanden werden, daß er in erster Linie auf eine Gleichbehandlung im Inland und im Ausland gemieteter Fahrzeuge drängt. In diesem Fall wäre es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß in der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Überlassung eines Fahrzeuges auch in den Kosten enthaltene Mehrwertsteuer einbezogen werden kann. Das Urteil könnte aber auch so ausgelegt werden, daß die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Überlassung des Fahrzeuges, die als Eigenverbrauch im Sinne des Artikels 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie anzusehen wäre, niemals Mehrwertsteuer enthalten kann, die auf den Kosten für das Fahrzeug lastet.
Der Rückgriff des EuGH auf die 1. EG-Richtlinie ist nicht überzeugend. Diese Richtlinie legt als Grundprinzipien der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer fest, daß gleichartige Waren und Dienstleistungen gleichmäßig belastet werden sollen. Die gleichmäßige Belastung soll durch vollständige Anrechnung der auf den Vorstufen bereits entrichteten Steuer durch den Vorsteuerabzug erreicht werden, damit Kumulationswirkungen ausgeschaltet werden. Es macht aber einen Unterschied, ob eine Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden kann und der Unternehmer damit vollständig entlastet wird, oder ob eine Umsatzsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage eingeht und damit der Unternehmer lediglich davon entlastet wird, Steuer von Steuer zu zahlen.
Die Frage, ob Mehrwertsteuern, die in Kosten enthalten sind, in die Bemessungsgrundlage für die Überlassung eines Fahrzeugs einfließen oder nicht, dürfte sich bereits unmittelbar aus Artikel 6 Abs. 2 und aus Artikel 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie beantworten. Nach Artikel 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie bilden für den Eigenverbrauch nach Artikel 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie der Betrag der Ausgaben des Unternehmers die Bemessungsgrundlage. Wird der Unternehmer...