Leitsatz
Ist eine Versicherung darauf angelegt, dass nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer die Versicherung vermarktet und der Versicherungsschutz den vom Versicherungsnehmer gewonnenen Kunden als versicherte Personen zugutekommt, kann das Versicherungsentgelt für das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer dem gesamten, den Kunden in Rechnung gestellten Verkaufspreis entsprechen, selbst wenn der Versicherer vom Versicherungsnehmer nur einen Teil des Verkaufspreises, die sog. Abrechnungsprämie (Nettoprämie), erhält und dem Versicherungsnehmer den restlichen Verkaufspreis, den sog. Verkaufsaufschlag, belässt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 VersStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, schloss mit Reiseveranstaltern Verträge über Reiseversicherungen für Kunden der Reiseveranstalter. Die Klägerin war der Versicherer, die Reiseveranstalter waren Versicherungsnehmer und die Reisekunden Versicherte.
Als Entgelt für die Reiseversicherungen vereinnahmten die Reiseveranstalter von den Reisekunden "Verkaufspreise". Diese setzten sich zusammen aus der "Abrechnungsprämie" (Nettoprämie), welche die Reiseveranstalter an die Klägerin (zuzüglich Versicherungsteuer) abzuführen hatten, und einem "Verkaufsaufschlag". Der Verkaufsaufschlag verblieb bei den Reiseveranstaltern als vereinnahmter Erlös aus der Differenz zwischen den Verkaufspreisen und den darin enthaltenen Nettoprämien. Der Versicherungsteuer unterwarf die Klägerin als "Versicherungsentgelt" lediglich die durch die Reiseveranstalter an sie abgeführten Nettoprämien.
Nach einer Außenprüfung war die Finanzbehörde der Auffassung, dass nicht nur die Nettoprämie, sondern auch der Verkaufsaufschlag als Versicherungsentgelt der Versicherungsteuer unterliege, und erließ entsprechende "Nachforderungsbescheide".
Nach erfolglosem Vorverfahren wies die Vorinstanz (FG Köln, Urteil vom 1.10.2014, 2 K 542/11, Haufe-Index 7679463, EFG 2015, 603) die erhobene Klage im Wesentlichen ab mit der Begründung, die Reiseveranstalter hätten im Interesse der Klägerin zusätzliche Vertriebsleistungen erbracht, um Reiseversicherungsverträge abschließen zu können. Der Verkaufsaufschlag sei daher Teil des Entgelts für diese an sich vom Versicherer zu erbringenden Leistungen.
Mit ihrer Revision führt die Klägerin aus, die Verkaufsaufschläge seien kein Versicherungsentgelt. Die Verkaufsaufschläge seien nicht von den Reiseveranstaltern als Versicherungsnehmer an die Klägerin als Versicherer, sondern von den Reisekunden als Versicherte an die Reiseveranstalter als Versicherungsnehmer entrichtet worden. Die Provision der Reiseveranstalter hätten also die Reisekunden getragen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zurückgewiesen; das FG hat zu Recht das Versicherungsentgelt i.H.d. gesamten Verkaufspreises angesetzt.
Der Versicherungsteuer unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts. Versicherungsentgelt ist jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist.
Vermarktet nicht der Versicherer (Klägerin), sondern der Versicherungsnehmer (Reiseveranstalter) die Versicherung, kann das Versicherungsentgelt dem gesamten, den Kunden in Rechnung gestellten Verkaufspreis entsprechen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in den Verkaufspreis einbezogene Vergütung auf einer gesonderten Provisionsabrede zwischen Versicherungsnehmer (Reiseveranstalter) und versicherter Person (Reisekunde) beruht, da der Reisekunde den nicht aufgeschlüsselten Verkaufspreis schuldet.
Schließlich ergibt sich aus der tatsächlichen Vertragsabwicklung, dass der gesamte Verkaufspreis die Höhe des Versicherungsentgelts bestimmte. Denn im Fall des Reiserücktritts wurde der Verkaufspreis den Reisekunden vollständig erstattet. Der sog. "Schicksalsteilungsgrundsatz", nach welchem die Vergütung für den Vertrieb das Schicksal der versicherungsrechtlichen Nettoprämie teilt und daher beispielsweise auch zurückgezahlt wird, wenn der Versicherungsvertrag aufgehoben wird, ist ein Zeichen dafür, dass ein Vertrag nach dem überkommenen Vergütungsmodell – Prämie und Verkaufsaufschlag als versicherungsteuerpflichtiger Verkaufspreis – geschlossen wurde.
Hinweis
Die Beteiligten streiten über die Bemessungsgrundlage der Versicherungsteuer beim Abschluss von Reiseversicherungen.
Die Klägerin ist eine Versicherungsgesellschaft (Versicherer). Der vom Reisekunden zu zahlende Verkaufspreis enthält die (Netto-)Prämie für den Versicherer und einen Verkaufsaufschlag, der beim Versicherungsnehmer, dem Reiseveranstalter, der den Vertrieb übernimmt, verbleibt.
Hier stellt sich die Frage, ob der Verkaufsaufschlag eine eigene Provision für den Reiseveranstalter darstellt oder das Ergebnis einer Verrechnung in Gestalt einer vollen Leistung des Verkaufspreises an den Versicherer mit Verrechnung des Provisionsgegenanspruchs ist. Im letzten Fall gehört der gesamte Verkaufspreis als Versicherungsentgelt zur Bemessungsgrundlag...