Leitsatz
Der berufliche Veranlassungszusammenhang einer doppelten Haushaltsführung wird nicht allein dadurch beendet, dass ein Steuerpflichtiger seinen Familienhausstand innerhalb desselben Orts verlegt.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger wohnte seit 1979 mit seiner Ehefrau in X. 1986 nahm er eine Beschäftigung im 90 km entfernten Y auf. Der Kläger mietete deshalb in der Nähe von Y eine Zweitwohnung an. 1988 verließ er wegen ehelicher Streitigkeiten die Ehewohnung und zog in die nahe gelegene Wohnung seiner Lebensgefährtin in X.
Das FA lehnte es ab, die für 1991 und 1993 geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anzuerkennen. Die Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der berufliche Veranlassungszusammenhang entfalle nicht schon deshalb, weil der Kläger seinen Familienwohnsitz (Haupt-Hausstand) innerhalb desselben Orts bzw. derselben Gemeinde verlegt habe. Da das FG zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen habe, sei die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Hinweis
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Erforderlich für eine doppelte Haushaltsführung ist demnach eine Aufsplitterung der normalerweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte.
2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung in eine privat veranlasste (wie auch umgekehrt) übergehen kann. Allerdings ist zu beachten, dass es sowohl nach der in den Streitjahren (hier 1991 und 1993) geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als auch nach dem durch das Steueränderungsgesetz 2003 wiederhergestellten Rechtszustand nicht erheblich ist, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Das heißt, es ist nicht von Belang, wenn ein Steuerpflichtiger seine Familienwohnung schlicht beibehält. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob (auch) persönliche Gründe für den Steuerpflichtigen vorliegen, von einer vollständigen Übersiedlung an den Beschäftigungsort abzusehen.
3. Mit dem vorliegenden Urteil hat der BFH klargestellt, dass eine bloße Verlegung des Familienwohnsitzes bzw. des Haupt-Hausstands innerhalb eines Orts oder einer Gemeinde die berufliche Fortdauer der doppelten Haushaltsführung grundsätzlich nicht berührt. Dies gilt gleichermaßen für verheiratete, ledige als auch – wie im Besprechungsfall – für in Trennung befindliche Steuerpflichtige. In diesen Fällen ändert sich nichts daran, dass die am Beschäftigungsort entstehenden Mehr-Aufwendungen beruflich veranlasst bleiben.
Der BFH hat sich auch dagegen gewandt, in solchen Fällen den Sachverhalt dahingehend (künstlich) aufzuspalten, dass mit dem Auszug aus der Familienwohnung der berufliche Veranlassungszusammenhang der bisherigen doppelten Haushaltsführung als beendet und die anschließende Wohnungsnahme (bei der Lebensgefährtin) als privat veranlasst angesehen wird. Vielmehr ist ein einheitlicher Sachverhalt gegeben. Nach wie vor liegt die nämliche, lediglich in unwesentlicher Weise modifizierte, beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vor.
4. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war der Haupt-Hausstand am selben Ort verblieben. Er war lediglich aus der ehelichen Wohnung in diejenige der Lebensgefährtin verlegt worden. Wäre der Haupt-Hausstand an den Beschäftigungsort (in die Zweitwohnung) verlegt worden, wäre die beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung beendet worden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/02