Leitsatz

* Ein Beteiligter verliert sein Recht, einen Richter wegen Befangenheit abzulehnen, jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsantrag durch das Gericht zurückgewiesen wird und wenn er sich in zeitlichem Abstand nach der Zurückweisung des Antrags rügelos auf eine mündliche Verhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters einlässt.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 FGO , § 6 Abs. 4 FGO , § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO , § 128 Abs. 2 FGO , § 43 ZPO , § 44 Abs. 4 ZPO

 

Sachverhalt

Es geht um eine Nichtzulassungsbeschwerde, mittels derer die Klägerin u.a. Verfahrensfehler rügt, die dem FG unterlaufen seien. Insbesondere habe an dem Urteil des FG, das aufgrund der mündlichen Verhandlung am 28.8.2001 ergangen sei, der RiFG W mitgewirkt, obwohl sie diesen als befangen abgelehnt habe. Dieser Vorwurf war von dem FG-Senat – ohne Mitwirkung des inkriminierten Richters W – allerdings bereits durch Beschluss vom 3.7.2001 zurückgewiesen worden.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Beschwerde für unzulässig. Die Klägerin habe ihr Recht auf Ablehnung des Richters W gem. § 43 ZPO (i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO) verwirkt, weil sie sich auf die mündliche Verhandlung eingelassen und auch Sachanträge gestellt habe, obwohl daran der besagte Richter mitgewirkt habe. Es wäre erforderlich gewesen, den Befangenheitsvorwurf ausdrücklich aufrechtzuerhalten und dies zu Protokoll zu geben. Dass das Ablehnungsgesuch vom FG bereits zurückgewiesen worden sei, ändere daran nichts, jedenfalls dann nicht, wenn dies schon einige Zeit (hier rund zwei Monate) zurückliege.

 

Hinweis

Der Beschluss lehrt, wie schnell Verfahrensrechte verloren gehen können, wenn man nicht über die notwendige forensische Praxis verfügt. Nehmen Sie sich also die Lektüre des hier vorzustellenden Beschlusses besonders zu Herzen, wenn Sie nur gelegentlich vor den FG auftreten und wenn die Gefahr droht, dass ein FG-Richter Ihnen in möglicherweise parteilicher Weise entgegentritt:

1. In derartigen Fällen entspricht es einer ordnungsgemäßen Prozessvertretung, dass der Richter als befangen abgelehnt wird. Die Regeln dazu enthält an sich § 51 FGO, kraft Weiterverweisung auf die ZPO müssen aber §§ 42 ff. herangezogen werden. Das Studium dieser Vorschriften ist schwierig, mitFallstrickenist immer zu rechnen. In einem dieser Stricke hat sich auch der Berater im Beschlussfall verfangen.

Ein Beteiligterverliert sein Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO nämlich immer dann, wenn er sich auf eine Verhandlung (mündliche Verhandlung, Erörterungstermin) unter Mitwirkung des abgelehnten Richters einlässt, ohne zu reklamieren, dass er mit eben dieser Mitwirkung nicht einverstanden ist, sei es, dass er sein Ablehnungsrecht erstmals kundtut, sei es, dass er die Ablehnung immer noch aufrechterhält.

Nun ist guter Rat teuer, wenn der Ablehnungsantrag vom Gericht bereits formell zurückgewiesen wurde. Zum einen schneidet § 128 Abs. 2 FGO seit der Novellierung dieses Gesetzes zum 1.1.2001 die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Befangenheitsantrags ab. Zum anderen darf besagter abgelehnter Richter wieder mitwirken. Die Verweigerung der mündlichen Verhandlung hätte angesichts dessen beträchtliche, ggf. prozessuale Nachteile zur Folge.

Will man sein Befangenheits-Rügerecht zu diesem Zeitpunkt gleichwohl nicht aufgeben, ist man deswegen unbedingt gehalten, dies gegenüber dem Gericht deutlich zu machen und gleichsam "unter Protest" weiterzuverhandeln. Das gilt es unbedingt zu Protokoll nehmen zu lassen, und zwar insbesondere dann, wennSachanträge gestellt werden! Wird dies unterlassen, ist der Befangenheitseinwand regelmäßig unwiderruflich passé.

2. Was aber ist, wenn Sie dies alles beachtet haben und sich nunmehr im Rahmen einer anschließendenNichtzulassungsbeschwerde oder Revision auf die Befangenheit des mitwirkenden Richters berufen? Kann Ihnen dann § 128 Abs. 2 FGO, wonach Beschlüsse über die Ablehnung von Richtern nicht (mehr) selbstständig beschwerdefähig sind, entgegengehalten werden?

Diese Frage ist höchst umstritten. Sie istrichtigerweise aber zu verneinen: Teilweise wird zwar vertreten, auf die Befangenheit könne sich nur berufen, wem vom FG Willkür widerfahren sei; dann sei das Verfahrensgrundrecht des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) verletzt (vgl. Ruban in Gräber, FGO, 5. Aufl., § 128 Rz. 9, § 124 Rz. 3, § 119 Rz. 9, § 115 Rz. 886). Teilweise wird eine allgemeine Ahndung der unrechtmäßigen Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs im Beschwerde- oder Revisionsverfahren als Verfahrensfehler aber für möglich erachtet (vgl. G. Vollkommer, NJW 2001, 1827; Spindler, DB 2001, 61, 63; Bilsdorfer, BB 2001, 753, 757; s. auch BFH, Beschluss vom 25.11.1999, VII B 140/99, BFH/NV 2000, 589 zu ebenfalls unanfechtbaren prozessleitenden Verfügungen). Nur die letztere Auffassung ist indes richtig; sie allein entspricht rechtsstaatlichen Vorgaben (Art. 19 Abs. 4 GG) und auch den erklärten Absichten des Gesetzgebers, mit der Beschneidung des Anfechtungsrechts nur Verfahrensverzögerungen vorzubeugen (vgl. BT-Drucks. 14/4...

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