Leitsatz
Für nacherklärte Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften scheidet eine gesonderte Feststellung nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 8EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 i.V.m. § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 aus, wenn hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzungen der Verlustentstehungsjahre (Teil‐)Verjährung eingetreten ist. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG i.d.F. des JStG 2007 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 7EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 steht dem nicht entgegen.
Normenkette
§ 10d Abs. 4 Satz 4, § 23 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin erklärte im Jahr 2014 bis dahin nicht erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen und (damit zusammenhängend) Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften für die Jahre 2007 und 2008. Das FA berücksichtigte die positiven Einkünfte, ließ aber die Verluste unberücksichtigt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 12.9.2019, 10 K 3043/18, Haufe-Index 13485710, EFG 2019, 1817).
Entscheidung
Der BFH hat auch die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision des Klägers, der für sich keine Verlustfeststellung beanspruchte, hat der Senat nach Zurücknahme mit Zustimmung des FA eingestellt.
Hinweis
Die außergewöhnlich detailreich begründete Besprechungsentscheidung bildet einen weiteren Mosaikstein in der Rechtsprechung des IX. Senats zu § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG. Es geht um die entsprechende Anwendung der Vorschrift. Die gesetzliche Verweisung, die dies regelt ("§ 10d Absatz 4 gilt entsprechend"), war ursprünglich in § 23 Abs. 3 Satz 9 geregelt und findet sich heute in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG.
In der Sache ging der Streit darum, dass das FA "nacherklärte" Einkünfte aus Kapitalvermögen veranlagt, aber die aus der Veräußerung derselben Papiere erzielten und deshalb ebenfalls "nacherklärten" Verluste unberücksichtigt gelassen hatte. Grund dafür war § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG.
1. Dem hielten die Kläger entgegen, die Vorschrift sei auf Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gar nicht anzuwenden. Wegen der für diese Verluste geltenden Ausgleichs- und Abzugsbeschränkungen könnten sie sich auf die Höhe der festgesetzten Steuer ohnehin nicht auswirken. Dem ESt-Bescheid könne insofern auch keine Bindungswirkung zukommen.
a) Damit nahmen die Kläger auf das BFH-Urteil vom 12.7.2016 (IX R 31/15, BStBl II 2018, 699, BFH/PR 2017, 44) Bezug. Nach diesem Urteil sind Besteuerungsgrundlagen dem ESt-Bescheid nicht zugrunde gelegt worden, soweit sie sich wegen § 351 Abs. 1 AO nicht auf die Höhe der festgesetzten Steuer ausgewirkt haben. Dort waren die Verluste im Verfahren gegen den ESt-Bescheid geprüft und "anerkannt" worden, konnten sich aber wegen § 351 Abs. 1 AO nur zum Teil auf die Steuerfestsetzung auswirken. Dem Senat genügte das, um auch die Verlustfeststellung zu versagen. Er hat damit die Wertung des § 351 Abs. 1 AO (Teilbestandskraft) auf die Verlustfeststellung durchschlagen lassen, obwohl § 351 Abs. 1 AO in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG nicht ausdrücklich erwähnt ist.
Dies an einem Merkmal des § 10d Abs. 4 Satz 4 ("zu Grunde gelegt worden sind") festzumachen, war zumindest missverständlich. In der Zwischenzeit hat der Senat mehrfach klargestellt, dass eine Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG auch dann der ESt-Festsetzung zugrunde gelegt worden sein kann, wenn sie sich auf die Höhe der Steuer nicht ausgewirkt hat, wie etwa bei der in diesem Zusammenhang zulässigen Anfechtung eines Null-Bescheids (z.B. BFH, Urteil vom 30.6.2020, IX R 3/19, BFH/NV 2021, 403, BFH/PR 2021, 173).
Die Besprechungsentscheidung bekräftigt dies noch einmal. Klarstellend heißt es im Urteil insoweit: "Zudem liegen Besteuerungsgrundlagen der Steuerfestsetzung auch dann i.S.d. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG zu Grunde, wenn sie außerhalb der Summe der Einkünfte sowie des Gesamtbetrags der Einkünfte bleiben (§ 2 Abs. 3, 4 EStG) und nicht Teil des (zu versteuernden) Einkommens sind." Welche Voraussetzungen für das Zugrundeliegen danach positiv gegeben sein müssen, bleibt offen. Klar ist aber mittlerweile, dass eine Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Steuer in der Regel (Ausnahme: § 351 Abs. 1 AO) nicht vorausgesetzt wird. Wer dies weiter probiert, reitet ein totes Pferd!
b) Im Übrigen hält der BFH den Klägern den klaren Wortlaut der Verweisung entgegen, die auch § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 einschließt. Außerdem könnten sich Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften im Rahmen des zulässigen horizontalen Verlustausgleichs auch auf die Höhe der Steuer auswirken. Und schließlich gibt der BFH zu bedenken, dass eine Bereichsausnahme für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften erkennbar nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche.
2. Ungeklärt ist nach wie vor, wie eigentlich tenoriert werden muss, wenn etwa die Klage gegen einen auf Null lautenden ESt-Bescheid Erfolg hat mit der Folge, dass dort bestimmte Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt werden müssen, ohne dass sie sich ...