Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
§ 21 Abs. 2 EStG in der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung sah bei verbilligter Überlassung einer Wohnung zu weniger als 56 % der ortsüblichen Miete eine Aufteilung in einen entgeltlich und einen unentgeltlich vermieteten Teil vor, wobei nur die auf den entgeltlich vermieteten Teil der Wohnung entfallenden Werbungskosten von den Mieteinnahmen abgezogen werden konnten.
Betrug die Miete 56 % und mehr, jedoch weniger als 75 % der ortsüblichen Miete, konnten bei negativer Totalüberschussprognose die Werbungskosten ebenfalls nur anteilig abgezogen werden. War die Überschussprognose positiv, konnten die mit der verbilligten Vermietung zusammenhängenden Werbungskosten in voller Höhe abgezogen werden.
Betrug die ortsübliche Miete bei auf Dauer angelegter Vermietung nicht weniger als 75 %, wurde grundsätzlich ohne Totalüberschussprognose die Einkünfteerzielungsabsicht unterstellt und die Vermietung einer Wohnung als vollentgeltlich angesehen. In diesem Fall konnten die Werbungskosten in voller Höhe abgezogen werden.
Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden in § 21 Abs. 2 EStG wesentliche Änderungen vorgenommen:
- Die für die Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil maßgebende Entgeltgrenze wurde von 56 % auf 66 % erhöht.
- Beträgt das Entgelt bei einer auf Dauer angelegten Wohnungsvermietung mithin mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als (voll) entgeltlich.
Durch die gesetzliche Neuregelung wird die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei verbilligter Vermietung vereinfacht. Streitigkeiten hinsichtlich der bislang bei einem Mietzins zwischen 56 % und 75 % der ortsüblichen Miete vorzunehmenden Totalüberschussprognose werden vermieden. Dies hat für die Praxis ab dem Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) 2012 folgende Konsequenzen:
- Beträgt das Nutzungsentgelt bei einer verbilligten Vermietung von Wohnraum weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, kommt es zu einer Aufteilung des Überlassungsvorgangs in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil. Eine Überschussprognose ist nicht anzustellen. Aufwendungen sind – wie bisher – nur als Werbungskosten abzugsfähig, wie sie anteilig auf den entgeltlichen Teil der Vermietung entfallen.
Vorab entstandene Werbungskosten
Die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wegen verbilligter Überlassung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG vorzunehmende Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil gilt auch für die vorab entstandenen Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen).
- Bei Erreichen der Grenze von 66 % ist Vollentgeltlichkeit anzunehmen und ein ungekürzter Werbungskostenabzug zuzulassen. Die bislang nach der BFH-Rechtsprechung und Auffassung der Finanzverwaltung vorzunehmende Totalüberschussprognoseprüfung entfällt dadurch, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Auffassung von Rechtsprechung und Verwaltung bei Erreichen der 66 %-Grenze Vollentgeltlichkeit bestimmt.
Fallgestaltungen
Der Steuerpflichtige S könnte sein Einfamilienhaus für 1.000 EUR monatlich vermieten (ortsübliche Marktmiete). Er vermietet es seit Januar 2019 langfristig an seine Mutter. Die abzugsfähigen Werbungskosten betragen 18.000 EUR jährlich.
Variante 1: Der monatliche Mietzins einschließlich Nebenkosten beträgt 600 EUR (= 60 % der ortsüblichen Marktmiete). Da die 66 %-Grenze unterschritten wird, ist die Vermietung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Die Werbungskosten sind nur insoweit abziehbar als sie mit der entgeltlichen Wohnungsüberlassung zusammenhängen, d. h. mit 10.800 EUR (= 60 %). Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen 3.600 EUR.
Variante 2: Der monatliche Mietzins einschließlich Nebenkosten beträgt 700 EUR. Die Einkunftserzielungsabsicht ist zu bejahen, da die Mutter mindestens 66 % der ortsüblichen Miete zahlt. Die Werbungskosten können in voller Höhe abgezogen werden. Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen 9.600 EUR.
Voller Werbungskostenabzug durch Mieterhöhung
Um die steuerliche Abzugsfähigkeit der Werbungskosten bei einem vereinbarten Mietzins von weniger als 66 % in vollem Umfang zu erhalten, empfiehlt es sich, die Miete unter Beachtung des § 558 BGB entsprechend zu erhöhen. Auch eine zwischen nahen Angehörigen vereinbarte Mietererhöhung, die über die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB hinausgeht und tatsächlich vollzogen wird, ist allein kein Umstand, der zu einem Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Mietverhältnisses führt. Bei einer klar und eindeutig vereinbarten und so durchgeführten Mieterhöhung, z. B. von 56 % auf 66 % der ortsüblichen Miete, ist das Mietverhältnis, sofern es im Übrigen dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich), steuerlich anzuerkennen.
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