Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Durch Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten können die Regelungen des materiellen Steuerrechts nicht umgangen werden. Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung liegt vor, wenn
- eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen ist,
- die gewählte Gestaltung beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem Steuervorteil führt,
- dieser Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist und
- der Steuerpflichtige für die von ihm gewählte Gestaltung keine außensteuerlichen Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Begriff der "nahestehenden Person"
Was unter "nahestehenden Personen" zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Mietverhältnis dem steuerlich bedeutsamen oder privaten Bereich zuzuordnen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann. Maßgebend ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung des Mietverhältnisses ist zunächst, dass es nicht nur zum Schein abgeschlossen ist. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind, was bereits daran offenkundig werden kann, dass sie die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben. Eine Scheinhandlung i. S. d. § 42 AO kann auch dann gegeben sein, wenn ein Zahlungsempfänger die ihm zugeflossenen Beträge in Verwirklichung eines gemeinsamen Gesamtplans alsbald dem Schuldner wieder zuwendet. Danach ist auch ein Mietverhältnis für die Besteuerung unerheblich, wenn der Vermieter dem Mieter die Miete im vorhinein zur Verfügung stellt oder die Miete nach Eingang auf seinem Konto alsbald wieder an den Mieter zurückzahlt, ohne hierzu aus anderen – z. B. unterhaltsrechtlichen – Rechtsgründen verpflichtet zu sein. Ein Beweisanzeichen für eine solche Voraus- oder Rückzahlung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Mieter wirtschaftlich nicht oder nur schwer in der Lage ist, die Miete aufzubringen.
Allerdings ist zu beachten, dass das dem Steuerpflichtigen zustehende Recht, Sachverhalte frei gestalten zu können, durch den Missbrauchstatbestand nicht eingeschränkt werden darf.
2.7.1 Wechselseitige Vermietung
Verträge unter Angehörigen sind steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und die Gestaltung und Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht, sog. Fremdvergleich. Selbst wenn das Mietverhältnis sämtliche Voraussetzungen des Fremdvergleichs erfüllt, kann es gleichwohl im Einzelfall steuerlich nicht anerkannt werden, wenn ein Gestaltungsmissbrauch anzunehmen ist. Dies ist oftmals bei wechselseitigen Vermietungen, sog. Überkreuzvermietungen oder auch "Poolvermietungen", der Fall. Dabei werden allenfalls geringfügig unterschiedliche Wohnungen von 2 Personen, insbesondere nahen Angehörigen oder sich nahestehenden Personen, angeschafft oder hergestellt, um sie sogleich wieder "über Kreuz" dem jeweils anderen in der Weise zu vermieten, dass sich die Vorgänge wirtschaftlich neutralisieren.
Diese Gestaltungen sind regelmäßig dadurch veranlasst, dass die Beteiligten Schuldzinsen und sonstige Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen können, die andernfalls bei einer Wohnnutzung der jeweils eigenen Wohnung nicht steuermindernd anzusetzen wären.
Beweislastverteilung zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen
Dem Finanzamt obliegt in einem ersten Schritt der Nachweis für eine unangemessene rechtliche Gestaltung, die zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dabei reicht allein die Behauptung eines Missbrauchs nicht aus, vielmehr muss das Finanzamt den "Missbrauchsvorwurf" begründen. Erst wenn der Nachweis vom Finanzamt erbracht wird, hat der Steuerpflichtige seinerseits den Nachweis für das Vorliegen beachtlicher Gründe zu führen, um den behördlichen "Missbrauchsvorwurf" zu entkräften. Es handelt sich um eine sphärenorientierte Nachweispflicht, weil die Gründe für die Gestaltung in der Sphäre des Steuerpflichtigen liegen und vom Finanzamt vielfach schwierig zu ermitteln sind.
Unentgeltliche Nutzung des Elternhauses
Ein Gestaltungsmissbrauch liegt demgegenüber nicht vor, wenn der Steuerpflichtige sein Haus zu f...