Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Galerist G plant in Berlin eine Verkaufsausstellung mit Kunstwerken des in Worpswede lebenden Künstlers K. G vereinbart mit K, aus dessen Bestand 20 Skulpturen auszustellen. Für den Fall des Verkaufs einer Skulptur durch G wird vereinbart, dass G sich 40 % vom Nettoverkaufserlös als Provision einbehält und den Restbetrag an K ausbezahlt.
Auf der im Februar 2023 stattfindenden Verkaufsausstellung kann G die folgenden Skulpturen verkaufen:
- An den Privatsammler P aus München die Skulptur "Venus von Berlin" für 30.000 EUR; P holt die Skulptur selbst in Berlin ab.
- An einen Privatsammler aus China die Skulptur "Der Nachdenker" für 45.000 EUR; die Skulptur wird von einem vom Erwerber beauftragten Frachtführer nachweislich nach China transportiert.
Von dem befreundeten Galeristen Z aus Zürich wird G überredet, nach Ablauf der Ausstellung 5 besonders wertvolle, bisher nicht verkaufte Skulpturen in der Galerie des Z in Zürich auszustellen. Die Skulpturen werden von einem von G beauftragten, auf Kunsttransporte spezialisierten Frachtunternehmen F mit Sitz in der Schweiz für 3.000 EUR von Berlin nach Zürich transportiert.
Die Ausstellung in Zürich hatte unerwarteten Erfolg, da G bei dieser Ausstellung die Skulpturengruppe "Goliath und die Laokoon-Gruppe" für 200.000 EUR an einen Schweizer Privatsammler verkaufen konnte. Vereinbarungsgemäß berechnete Z dem G eine Vermittlungsprovision von 15 % (= 30.000 EUR), da er selbst gegenüber den Käufern nicht in eigenem Namen aufgetreten war. Z stellte noch im März 2023 seine Rechnung über 30.000 EUR gegenüber G aus und leitete die restlichen 170.000 EUR, die er von dem Käufer erhalten hatte, an G weiter. Die Skulpturengruppe lässt G wiederum von F zu dem Käufer in der Schweiz für 2.000 EUR transportieren.
2.2 Fragestellung
G möchte wissen, wie er die Abrechnung gegenüber seinen Kunden vornehmen und wie er mit K abrechnen muss. Außerdem möchte er wissen, ob sich aus der Beauftragung des Frachtunternehmers für ihn Rechtsfolgen ergeben.
2.3 Lösung
Sowohl G als auch K und Z sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind. Zwischen K und G ist ein Kommissionsgeschäft vereinbart, da G die Skulpturen in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung verkauft.
Handeln des Unternehmers immer vom Auftreten abhängig
Bei der Frage, ob G für fremde Rechnung auftritt, kommt es nicht auf das Abrechnungspapier i. S. d. § 14 UStG an, sondern darauf, ob G selbst ein wirtschaftliches Risiko an dem Verkauf trägt. Da G aber nur die von ihm tatsächlich eingekauften Gegenstände gegenüber K abzurechnen hat und die nicht verkauften Skulpturen wieder zu K zurückgehen, ohne dass dies zu einer finanziellen Belastung für G führt, trägt K das wirtschaftliche Risiko an den Verkäufen.
Da ein Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 3 UStG vorliegt, kommt es zu Lieferungen zwischen K und G und zu Lieferungen zwischen G und den Käufern.
Z tritt offensichtlich nicht in eigenem Namen gegenüber dem Käufer aus der Schweiz auf, sodass er als Vermittler tätig wird. Er führt gegenüber G eine sonstige Leistung (Vermittlungsleistung) aus.
Damit ergeben sich die folgenden Zusammenhänge:
Verkauf in Differenzbesteuerung möglich
Grundsätzlich könnte G die Verkäufe der Kunstgegenstände auch im Rahmen der Differenzbesteuerung vornehmen. G ist Wiederverkäufer, bezieht die Gegenstände aber von einem Unternehmer, der Umsatzsteuer für die Lieferungen schuldet. Soweit G dies wünscht, kann er bis zur Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahrs gegenüber dem Finanzamt beantragen, auch in diesen Fällen die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG anzuwenden. Dazu hätte G aber schon zu Beginn des Kalenderjahrs von diesem Wahlrecht Gebrauch machen müssen. Seitdem der ermäßigte Steuersatz bei der Lieferung von Kunstgegenständen durch Wiederverkäufer nicht mehr möglich ist, kommt der Differenzbesteuerung in diesen Fällen eine größere Bedeutung zu.
Die Lieferung an den Privatsammler P aus München ist eine Lieferung, die G als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Ort der Lieferung ist dort, wo die Beförderung des Gegenstands beginnt, also in Berlin. Der im Inland gegen Entgelt ausgeführte Umsatz ist steuerbar und mangels Steuerbefreiung nach § 4 UStG steuerpflichtig. Die Lieferung von Skulpturen unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (ausdrücklich aus der Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 53 Buchst. c der Anlage 2 zum UStG ausgeschlossen; auch keine Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG, da G ein "Wiederverkäufer" ist). Der Umsatz unterliegt mit dem Regelsteuersatz von 19 % der Umsatzsteuer.
Einschränkungen bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
Der ermäßigte Steuersatz kann bei Kunstgegenständen und Sammlungsstücken uneingeschränkt nur für die Einfuhrumsatzsteuer angewendet werden. Kunstgegenstände können darüber hinaus dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn der Verkauf durch den Urheber (oder dessen Rechtsnachfolger) erfolgt oder – unter einschrä...