Nachdem die zivil- und steuerrechtlichen Grundlagen der vermögensverwaltenden Personengesellschaft skizziert wurden, sollen im Folgenden praktische Problemschwerpunkte sowie aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung erörtert werden.
Besonders problematisch ist im Bereich der vermögensverwaltenden Personengesellschaften
1. Gewerbliche Abfärbung/Infektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG)
Die gewerbliche Abfärbung begründet für die vermögensverwaltende Personengesellschaft die Gefahr, dass die Einkünfte in vollem Umfang als gewerbliche Einkünfte gelten. Unter welchen Voraussetzungen diese in der Praxis regelmäßig nicht gewollte Folge eintritt, regelt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Danach gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang
- die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit,
- einer oHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft,
- wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S.d. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (§ 15 EStG) ausübt oder
- gewerbliche Einkünfte i.S.d. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bezieht.
Eigenständige gewerbliche Tätigkeit: Voraussetzung ist zunächst, dass sich die Tätigkeit nicht aufgrund untrennbarer Verflechtung der Tätigkeiten als originär gewerblich i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darstellt. Der Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG setzt demnach voraus, dass es sich um eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit handelt.
"Seitwärtsabfärbung": Liegen zwei eigenständige Tätigkeiten vor und stellt sich die Frage der Abfärbung, spricht man von der sog. "Seitwärtsabfärbung". Lange war umstritten,
- unter welchen Voraussetzungen eine solche Seitwärtsabfärbung gegeben ist und
- ob eine einschränkende Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG bei Geringfügigkeit geboten ist.
Wurde eine Einschränkung bei Geringfügigkeit ursprünglich abgelehnt, erkannte der BFH spätestens seit 1999 eine einschränkende Anwendung an, ohne konkrete Grenzen zu definieren.
Die bisherigen Grenzen bestätigende BFH-Entscheidung v. 30.6.2022: Mit seiner Entscheidung vom 30.6.2022 hat der BFH die in der Vergangenheit bereits formulierten Grenzen nunmehr bestätigt. Danach gelten für die Annahme einer "schädlichen gewerblichen Tätigkeit"
- eine relative Grenze und
- eine absolute Grenze.
Geringfügigkeitsgrenze: Eine gewerbliche Tätigkeit hat danach keine umqualifizierende Wirkung, „wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse
- 3 % der Gesamtnettoumsätze (relative Grenze) der Personengesellschaft und
- zugleich den Höchstbetrag von 24.500 EUR im Feststellungszeitraum (absolute Grenze)
nicht übersteigen”. Beachten Sie: Diese Grenzen gelten sowohl für freiberufliche Personengesellschaften als auch für vermögensverwaltende Personengesellschaften. Für die Betrachtung dieser Grenzen kommt es nicht auf einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum an.
Ausdrücklich geregelt hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass die gewerbliche Abfärbung unabhängig davon greift, ob ein Gewinn oder Verlust vorliegt bzw. die gewerblichen Einkünfte positiv oder negativ sind. Damit ist der Gesetzgeber der in der Vergangenheit vom BFH vertretenen Auffassung entgegengetreten, wonach negative Einkünfte aus originär gewerblichen Tätigkeiten nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Einkünfte führen können. Beachten Sie: Diese Rechtsprechung entfaltet aufgrund der nunmehr ausdrücklichen gesetzlichen Regelung keine Wirkung mehr.
Eine Abfärbung kann auch bei doppelstöckigen Personengesellschaften eintreten ("Aufwärtsabfärbung"), wenn die vermögensverwaltende Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte bezieht.
Beraterhinweis Praktische Bedeutung erlangt die Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG immer dort, wo eine vermögensverwaltende Personengesellschaft
- neben ihrer originär vermögensverwaltenden Tätigkeit
- auch eine eigenständige originär gewerbliche Tätigkeit
ausübt. Um die nachteiligen Folgen von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu umgehen, kann das durch die Rechtsprechung bestätigte sog. Ausgliederungsmodell gewählt werden. Dabei wird neben der vermögensverwaltenden Personengesellschaft eine weitere personenidentische Personengesellschaft gegründet und die originär gewerbliche Tätigkeit von dieser ausgeübt. Damit wird insbesondere auch eine Gleichbehandlung von Mitunternehmerschaften und Einzelunternehmern gewährleistet – unabhängig von der Einhaltung sog. Geringfügigkeitsgrenzen.
Doppelstöckige Personengesellschaft: Für die Betrachtung von Beteiligungen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (doppelstöckige Personengesellschaft) gilt die Geringfügigkeitsgrenze nach Ansicht der Rechtsprechung unter Rückgriff auf den Willen des Gesetzgebers nicht. Zwar führt die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG tatsächlich zu einer Ungleichbehandlung von Einzelunternehmern und Mitunternehmerschaften. Dies sei jedoch verfassungsrechtlich zur Vereinfachung gerechtfertigt.
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