Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Die in § 39 Abs. 1 KAGG enthaltene Verweisung auf private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) führte nicht zur Anwendung der Regelung über die Verlustverrechnungsbeschränkungen auf Ebene des Investmentfonds (Anschluss an BFH, Urteil vom 18.9.2012, VIII R 45/09, BFHE 239, 226, BStBl II 2013, 479).
2. Das Merkmal des "Gewinns" in § 39 Abs. 1 Satz 1 KAGG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasste auch einen zum Ende des Geschäftsjahres auf Ebene des Investmentfonds verbleibenden Totalverlust aus Termingeschäften. Ein solcher Totalverlust zum Ende des Geschäftsjahres aufgrund von Termingeschäftsverlusten war als negativer ausschüttungsgleicher Ertrag dem Anteilsscheininhaber zuzuweisen.
3. Die Regelungen in § 18 Abs. 1 und § 3 Abs. 4 InvStG sehen keine Überleitung von Verlusten aus Termingeschäften, die unter Geltung des KAGG erzielt und vorgetragen wurden, mit Neuerträgen, die unter Geltung des InvStG erzielt wurden, auf Ebene des InvStG vor. Sie sind jedenfalls deshalb mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil nach dem BMF-Schreiben vom 4.12.2007 (BStBl I 2008, 375) die Verrechnung solcher Altverluste mit Neuerträgen aus Termingeschäften im Billigkeitswege von der Finanzverwaltung gewährt wird.
Normenkette
§ 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KAGG, § 3 Abs. 4, § 18 Abs. 1 InvStG, § 23 Abs. 3 EStG 2002; Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein inländisches Spezial-Sondervermögen i.S.d. § 15 InvStG, das durch eine GmbH als Kapitalanlagegesellschaft vertreten wurde. Einzige Anteilsscheininhaberin war eine Lebensversicherungsgesellschaft. Der Kläger führte am Ende des Geschäftsjahres 2004/2005 einen "steuerlichen Merkposten" in Höhe von 1.324.527,60 EUR. Dieser Betrag beruhte auf Verlusten aus Termingeschäften gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, die im zeitlichen Anwendungsbereich des KAGG erzielt worden waren. Im Geschäftsjahr 2004/2005 erwirtschaftete der Kläger Zinserträge in Höhe von 4.291.943,18 EUR. Er gab in der Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Geschäftsjahr 2004/2005 ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge in Höhe von 4.292.000 EUR an. Im Anschluss beantragte er die Verrechnung der Altverluste aus Termingeschäften mit den im Geschäftsjahr 2004/2005 erzielten Zinsen, Mieterträgen und sonstigen Erträgen gemäß § 15 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 164 Abs. 2 AO. Das FA lehnte dies unter Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 4.12.2007 (BStBl I 2008, 375) ab. Die im zeitlichen Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 InvStG entstandenen Neuerträge seien den im zeitlichen Anwendungsbereich des KAGG erlittenen Verlusten aus Termingeschäften nicht gleichartig. Das FG wies die Klage ab (Hessisches FG, Urteil vom 14.11.2012, 4 K 1902/08, Haufe-Index 3598165).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Bei einem Systemwechsel stellt sich stets die Frage, ob und wie Altverluste unter dem neuen Regelungssystem verrechnet werden können. Das Besprechungsurteil betrifft Altverluste aus Termingeschäften, die im zeitlichen Anwendungsbereich des KAGG auf Fondsebene entstanden sind. Der Fonds wollte diese mit positiven Erträgen aus Zinsen, inländischen Mieten sowie sonstigen Erträgen verrechnen, die unter das InvStG fallen.
2. Das FA und das FG haben die Verrechnung abgelehnt. Der BFH hat diese Rechtsauffassung bestätigt. Zum einen folge dies aus der Übergangsregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Danach sei die Verlustverrechnung gemäß § 3 Abs. 4 InvStG auf der Ebene des Sondervermögens erstmals für Erträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2003 dem Investmentvermögen zufließen. Dies gelte auch für negative Erträge. Die vor dem Inkrafttreten des InvStG entstandenen Altverluste aus Termingeschäften fallen somit nicht unter die Verlustverrechnungsregelung des InvStG.
3. Zum anderen hätte es bei richtiger Auslegung des KAAG einen Verlustvortrag aus Alttermingeschäften gar nicht gegeben. Diese Verluste seien im Verlustentstehungsjahr auf der Ebene des Sondervermögens zu verrechnen oder dem Anteilsscheininhaber zuzuweisen gewesen. Es bedurfte danach keiner gesetzlichen Übergangsregelung für die Verrechnung von Altverlusten mit Erträgen, die unter das InvStG fallen.
4. Die Besonderheit des Falles lag jedoch darin, dass der Kläger den Merkposten für den Vortrag der Altverluste aus Termingeschäften im Vertrauen auf eine rechtswidrige Verwaltungspraxis gebildet hatte. Diese war unzutreffend von einem Verlustverrechnungsverbot für Termingeschäfte auf der Fondsebene ausgegangen (siehe hierzu BFH, Urteil vom 18.9.2012, VIII R 45/09, BFH/NV 2013, 120, BFH/PR 2013, 45). Dem entsprechend hatte der Kläger die an sich gebotene Verlustverrechnung auf Fondsebene unter der Geltung des KAGG nicht vorgenommen.
5. Aus Billigkeitsgründen hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 4.12.2007, BStBl I 2008, 375 i.V.m. §§ 163, 227 AO die Verrechnung solcher Altverluste mit Neuerträgen aus Termingeschäften zugelassen. Der Kläger beg...