Leitsatz
1. Es ist mit den ungeschriebenen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Schuldprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu vereinbaren, wenn bei falschen Angaben in einem Ausfuhrerstattungsantrag neben der Rückforderung der Ausfuhrerstattung eine Verwaltungssanktion verhängt wird, auch wenn der Ausführer kein Verschulden an der Unrichtigkeit der Angaben hat.
2. Die Nichterfüllung vertraglicher Pflichten seitens eines Geschäftspartners des Ausführers, der die Ausfuhrware herstellt, ist kein Ereignis höherer Gewalt; etwas anderes kann dann in Betracht kommen, wenn jener selbst von höherer Gewalt betroffen ist, z.B. weil er durch zumutbare Vorkehrungen bei der Steuerung und Überwachung des Produktionsprozesses nicht hat verhindern können, dass die Ausfuhrware eine andere als die vertragsgemäße Beschaffenheit hat.
Normenkette
VO (EWG) Nr. 36665/87 Art. 11
Sachverhalt
Ein Exporteur führte Schmelzkäse aus der Gemeinschaft aus und nahm dafür mit der Behauptung Ausfuhrerstattung in Anspruch, es handle sich um Käse im Sinn der Erstattungsnomenklatur. Aufwendige Recherchen der Zollbehörde ergaben später, dass es sich in Wahrheit um eine Lebensmittelzubereitung handelte und dass die Erstattungsvoraussetzungen deshalb nicht erfüllt waren.
Das HZA forderte deshalb die Erstattung zurück und verhängte darüber hinaus die strittige Sanktion in Höhe der Hälfte des zurückgeforderten Erstattungsbetrags. Der Exporteur verteidigte sich gegen die vorgenannte Sanktion damit, er habe nicht gewusst und auch nicht wissen können, dass die Ware kein Schmelzkäse ist, er sei also schuldlos. Deshalb dürfe er für seine falschen Angaben nicht bestraft werden.
Entscheidung
Der BFH hat nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH die Verhängung der Sanktion gebilligt (vgl. Vorabentscheidungsersuchen vom 4.4.2000, VII R 67/98, BFHE 192, 377; EuGH, Urteil vom 11.7.2002, C-210/00, ZfZ 2002, 341).
Es handelt sich nicht um eine nur bei einem Schuldvorwurf zulässige "Strafe", sondern um eine rein präventive Maßnahme zur Bekämpfung künftiger falscher Angaben in einem Erstattungsantrag, also eine sog. Verwaltungssanktion, deren Androhung lediglich zu rechtmäßigem Verhalten anhalten soll. Die Sanktionsregelung ist Teil des Ausfuhrerstattungssystems, das den Marktteilnehmern Vorteile bietet und durch die Sanktion lediglich die Erfüllung der von den Teilnehmern am System der Ausfuhrerstattungen um dieser Vorteile willen übernommene Verpflichtung absichern will, über die erstattungserheblichen Tatsachen richtige Angaben zu machen. Auch einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat der EuGH verneint: Wer sich um seines eigenen Vorteils willen entschlossen hat, an einem System öffentlicher Leistungen teilzuhaben und sich den insofern aufgestellten Regeln zu unterwerfen, kann sich über deren Strenge später nicht beschweren.
Ein Fall höherer Gewalt liege nicht vor. Dass ein Exporteur über die nicht vertragsgemäße Beschaffenheit der von einem Dritten hergestellten Ausfuhrware gutgläubig falsche Angaben mache, gehöre zu seinem Geschäftsrisiko. Etwas anderes könne allenfalls gelten, wenn der Hersteller der Ausfuhrware seinerseits von höherer Gewalt betroffen ist, z.B. weil er den für die fehlende Erstattungsfähigkeit der Ware ursächlichen Mangel durch zumutbare Vorkehrungen bei der Steuerung und Überwachung des Produktionsprozesses nicht hätte verhindern können.
Hinweis
1. Ausfuhrerstattung wird nur auf Antrag gewährt. Die einschlägige Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (AEVO, früher Verordnung [EWG] Nr. 36665/87) schreibt dafür u.a. vor, dass der Antragsteller die Ware anhand der Erstattungsnomenklatur bezeichnen muss, also sich in deren Sprache über die Warenbeschaffenheit erklären muss. Für die Zoll- bzw. Erstattungsbehörde ist die Warenbeschaffenheit (landwirtschaftliche Produkte!) oftmals nur sehr schwer nachprüfbar.
2. Um gleichwohl Betrug, aber auch die schuldlos unberechtigte Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung zu bekämpfen, sieht die AEVO eine "Verwaltungssanktion" für den Fall vor, dass in einem Erstattungsantrag unrichtige Angaben gemacht werden und deshalb eine höhere Ausfuhrerstattung gewährt wird, als dem Ausführer tatsächlich zusteht. Diese Sanktion tritt neben die Rückforderung der Erstattung, so dass der Ausführer unter Umständen doppelt hart getroffen wird, wenn er seine Belastung nicht auf "den Schuldigen", z.B. den Verkäufer der Ware, abwälzen kann. Es empfiehlt sich also, sorgfältig darauf zu achten, dass in dem Vertrag mit dem Zulieferer entsprechende Klauseln enthalten sind, zumal der Exporteur gerade die Warenbeschaffenheit wegen der oftmals feinmaschigen Erstattungsnomenklatur nicht ausreichend überprüfen kann.
3. Die Sanktion entfällt allerdings in einer Reihe von in Art. 51 Abs. 3 AEVO genannten Fällen, deren einer derjenige der höheren Gewalt ist. Beachten Sie aber die engen Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des EuGH höhere Gewalt (auch im Ausfuhrerstattungsrecht) nur bejaht werden kann.