Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Obliegt einem Versicherungsvertreter die fachliche Betreuung von Außendienstmitarbeitern und vermittelt er hierbei u. a. versicherungsfachliche Kenntnisse, führt diese unterrichtende Tätigkeit noch nicht zur Annahme von freiberuflichen Einkünften. Das FG Münster entschied, dass der Vertreter weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Für den Vertreter hatte diese Einordnung zwei unerwünschte Folgen.
Sachverhalt
Ein gelernter Versicherungsvertreter wurde von seiner Versicherung zum "Landesärztegeschäftstellenleiter" berufen. In dieser Tätigkeit sollte er die ihm unterstellten Außendienstmitarbeiter fachlich im Bereich der Heilberufe bereuen. Zu seinen Aufgaben gehörte es, über aktuelle Vertriebsstrategien zu informieren, versicherungsfachliche Kenntnisse zu vermitteln und Kommunikationcoachings abzuhalten. Auch stand er den Mitarbeitern beim Abschluss von Versicherungsverträgen beratend zur Seite. Für seine Tätigkeit erhielt er eine erfolgsabhängige Vergütung.
Das Finanzamt nahm gewerbliche Einkünfte an und setzte daher einen Gewerbesteuer-Messbetrag fest. Zudem forderte es den Vertreter nach § 141 AO zur Buchführung auf. Der Vertreter wehrte sich gegen beide Maßnahmen und machte geltend, dass er freiberuflich tätig sei.
Entscheidung
Das FG entschied, dass der Vertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 EStG erzielt.
Eine freiberufliche unterrichtende Tätigkeit setzt voraus, dass ein Lehrer sein Wissen an Schüler vermittelt - und dies in einer organisierten und institutionalisierten Form tut. Zwar beinhaltete die Tätigkeit des Vertreters auch unterrichtende Elemente, allerdings wurde die Gesamttätigkeit hierdurch nicht geprägt. Vielmehr war der Vertreter als eine Art "vorgesetzter Versicherungsvertreter"schwerpunktmäßig beratend tätig. Das FG konnte nicht erkennen, dass die Wissens- und Kenntnisvermittlung in einer institutionalisierten Form erfolgt ist, da der Vertreter in die Organisations- und Vertriebsstrategie der Versicherung eingebunden war. Auch das erforderliche "Lehrer-Schüler-Verhältnis" bestand nicht, da der Vertreter eher als fachlicher Betreuer tätig war. Die Tätigkeit war dabei nicht auf die abstrakte Vermittlung von Know-How beschränkt, sondern erstreckte sich in untrennbarer Weise auch auf eine prozessbegleitende Beratung in der Praxis (z. B. bei Vertragsabschluss).
Nach Ansicht des FG steht eine erfolgsabhängige Vergütung einer Freiberuflichkeit zwar nicht zwangsläufig entgegen, im Urteilsfall verdeutlichte diese Art der Vergütung jedoch, dass der Versicherungsvertreter nicht nur für seinen theoretischen Unterricht, sondern auch für seine Mitwirkung am Vermittlungsgeschäft vergütet werden sollte.
Hinweis
Die Frage nach der Freiberuflichkeit kann häufig nur sehr einzelfallabhängig beantwortet werden, hat aber - wie der Urteilsfall zeigt - eine erhebliche steuerliche Tragweite. Diese Kombination führt dazu, dass in vielen Fällen die Steuergerichte das letzte Wort sprechen müssen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 17.12.2010, 4 K 3554/08 G