Leitsatz
1. Eine Billigkeitsentscheidung über die Verteilung eines Übergangsgewinns bindet auch hinsichtlich dessen Höhe.
2. Die Billigkeitsentscheidung kann in dem Steuerbescheid des Übergangsjahres enthalten sein.
Normenkette
§ 85 Satz 1, § 157 Abs. 1, § 157 Abs. 2, § 163, § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 Satz 3, § 184 Abs. 2 Satz 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger ermittelte bis 2006 seinen gewerblichen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung, seit 2007 durch Betriebsvermögensvergleich. In der Eröffnungsbilanz zum 1.1.2007 erklärte er einen Übergangsgewinn von 87.000 EUR, der 2007 mit einem Drittel angesetzt wurde. In einer Außenprüfung wurde ein Übergangsgewinn von 96.000 EUR ermittelt und dementsprechend der ESt-Bescheid 2007 geändert, indem diesem ein Übergangsgewinn ("Ansatz 1/3") von nunmehr 32.000 EUR zugrunde gelegt wurde. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Der ESt-Bescheid des Streitjahres 2008, dem ebenfalls ein Übergangsgewinn von 32.000 EUR zugrunde gelegt wurde, wurde ebenfalls bestandkräftig. Später legte der Kläger eine geänderte Übergangsgewinnberechnung vor, in der er einen Übergangsverlust ermittelte. Er beantragte die Änderung des ESt-Bescheides 2008, was das FA ablehnte, da der für 2007 ermittelte Übergangsgewinn auch für die beiden Folgejahre maßgeblich sei.
Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.4.2013, 9 K 9114/13, Haufe-Index 551676). Es existiere keine Rechtsgrundlage, den Gewinn des Jahres 2008 um einen anteiligen Übergangsgewinn aus dem Jahre 2007 zu erhöhen. Mit der Revision macht das FA geltend, die Bestandskraft der Veranlagung des Übergangsjahres 2007 binde hinsichtlich Höhe und Verteilung des Übergangsgewinns für die Folgejahre 2008 und 2009, selbst wenn dieser fehlerhaft ermittelt worden sei.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Das FA habe zu Recht 2008 einen Übergangsgewinn in Höhe von 32.000 EUR angesetzt, da eine mit der ESt-Festsetzung 2007 verbundene Billigkeitsentscheidung gemäß § 163 Satz 2 AO dahingehend getroffen wurde, dass der im Jahr 2007 entstandene Übergangsgewinn von 96.000 EUR zu jeweils einem Drittel in den Jahren 2007 bis 2009 zu berücksichtigen sei.
Hinweis
1. Wechselt der Steuerpflichtige die Gewinnermittlungsart, ist ein Übergangsgewinn zu ermitteln, der auch ein Übergangsverlust sein kann. Da die verschiedenen Gewinnermittlungsarten wegen des Zufluss-Abfluss-Prinzips auf der einen Seite und des Realisationsprinzips auf der anderen Seite zu unterschiedlichen Periodengewinnen führen können, sind Zu- und Abrechnungen vorzunehmen, damit sich Geschäftsvorfälle weder doppelt noch überhaupt nicht auswirken. Bei dem Übergang von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zum Betriebsvermögensvergleich sind die Korrekturen im Jahr des Übergangs vorzunehmen. Fällt der Wechsel mit dem Wechsel des Wirtschaftsjahres zusammen, so ist der Übergangsgewinn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in dem neuen Wirtschaftsjahr zu erfassen, da es sich bereits um einen Teil des durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Gewinns handelt.
2. Nach R 4.6 Abs. 1 Satz 2 EStR 2014 kann bei dem Übergang zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zur Vermeidung von Härten auf Antrag des Steuerpflichtigen der Übergangsgewinn (Saldo aus Zu- und Abrechnungen) gleichmäßig entweder auf das Jahr des Übergangs und das folgende Jahr oder auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre verteilt werden.
3. Bei der Entscheidung über die abweichende Verteilung handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 2 AO. Sie ist Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsverfahrens und damit eines gesonderten Bescheids, selbst wenn äußerlich beide Entscheidungen in einem Bescheid zusammengefasst werden. § 163 Satz 3 AO regelt dies zwar nicht unmittelbar, setzt es aber voraus. Der Bescheid betreffend die Billigkeitsmaßnahme ist seinerseits ein für die Festsetzung einer Steuer bindender Verwaltungsakt und damit Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, die folglich nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen ist.
4. Die Bindungswirkung einer Billigkeitsentscheidung, die den Übergangsgewinn auf mehrere Jahre verteilt, bezieht sich nicht nur auf die Verteilung, sondern erstreckt sich auch auf die Höhe dieses Gewinns. Die Entscheidung des FA nach § 163 Satz 2 AO über Höhe und Verteilung des Übergangsgewinns auf mehrere Jahre ist damit bindend in die Veranlagungen aller betroffenen Jahre zu übernehmen.
5. Jede anderweitige Lösung würde im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Übergangsverlusten zu Wertungswidersprüchen führen und wäre zudem verfahrensrechtlich mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.10.2015 – X R 32/13