2.1 Allgemeines
Das Abstraktionsprinzip beinhaltet ein das gesamte Zivilrecht durchziehende Prinzip, nach dem die Wirksamkeit eines Erfüllungsgeschäfts grundsätzlich nicht von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrags abhängig ist.
Ein Rechtsgeschäft ist ein Rechtsakt, der eine gewollte Rechtsfolge hervorbringt. Diese kann beispielsweise darin liegen, dass durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags die Verpflichtung eingegangen wird, höchstpersönlich bestimmte Aufgaben zu erledigen; die Rechtsfolge kann aber auch darin liegen, dass das Eigentum an einem Grundstück von einer Person auf eine andere Person übergeht.
Auch wenn Rechtsgeschäfte für die Besteuerung eine zentrale Bedeutung einnehmen, werden steuerliche Tatbestände auch erfüllt, wenn kein Rechtsgeschäft vorliegt. So knüpft etwa eine Fülle von Vergünstigungen im Steuerrecht an die Geburt eines Kindes an. Auch die Erbschaftsteuer setzt in der Regel nicht Rechtsgeschäfte voraus. Wird beispielsweise eine Person gesetzliche Erbin, dann erfolgt der Eigentumswechsel der der verstorbenen Person gehörenden Gegenstände kraft Gesetzes (Gesamtrechtsnachfolge § 1922 BGB). Anders hingegen bei der Schenkungsteuer, die häufig Rechtsgeschäfte, z. B. eine unentgeltliche Zuwendung in Form einer Schenkung, voraussetzt.
Verträge werden u. a. nach
- Verpflichtungsverträgen und
- Erfüllungsverträgen
unterschieden.
Der Abschluss eines Verpflichtungsvertrags begründet eine Leistungspflicht, die natürlich auch in einem Unterlassen oder Dulden bestehen kann. Durch den Abschluss eines solchen Vertrags wird zunächst die verbindliche Absicht bekundet, die im Vertrag enthaltenen Verpflichtungen zu erfüllen, d. h. diese Verträge haben schuldbegründenden Charakter.
Im Gegensatz dazu zielen die Erfüllungsverträge (auch Verfügungsverträge genannt) darauf ab, den Bestand eines Rechts durch
- Übertragung,
- Inhaltsänderung,
- Belastung oder
- Aufhebung
unmittelbar zu verändern.
Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte liegen nicht nur vor, wenn sie zeitlich hintereinander liegen, sondern auch, wenn sie – scheinbar – zeitgleich abgeschlossen wurden.
Wirkung des Abstraktionsprinzips
Das Abstraktionsprinzip besagt, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte in ihrer rechtlichen Wirksamkeit voneinander unabhängig sind. Das gilt auch in den Fällen, in denen das Verfügungsgeschäft zur Erfüllung eines Verpflichtungsgeschäfts durchgeführt wird.
Kauf und Eigentumsübertragung
Frau Grundeis verkauft Herrn Dingers eine goldene Uhr am 21.10.2018 für 300 EUR. Beide vereinbaren, dass die Uhr Herrn Dingers am 5.1.2019 übergeben und bezahlt wird. Der Vertrag wird, wie vereinbart, am 5.1.2019 durchgeführt.
Hier hat sich Frau Grundeis am 21.12.2018 durch Abschluss eines Kaufvertrags verpflichtet, Herrn Dingers das Eigentum an der Uhr zu verschaffen. Im Gegenzug (als Gegenleistung) verpflichtete sich Herr Dingers 300 EUR zu zahlen. Beide Parteien gingen ihre jeweilige Verpflichtung nur ein, weil der jeweils andere seinerseits eine Verpflichtung einging (sog. synallagmatische Verbindung). Allerdings ist durch den Abschluss des Kaufvertrags Herr Dingers nicht Eigentümer der Uhr geworden. Auch Frau Grundeis kann (noch) nicht über die 300 EUR verfügen.
Die Eigentumsübertragung der Uhr fand am 5.1.2019 durch Einigung und Übergabe statt, indem sich die beiden darüber einigten, dass nunmehr Herr Dingers Eigentümer der Uhr sein solle und die Uhr ihm von Frau Grundeis übergeben wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt ist er als Eigentümer berechtigt, mit der Uhr das zu tun, was er möchte. Außerdem fand am 5.1.2019 eine weitere Übereignung statt, nämlich die Übereignung der Bargeldes von 300 EUR.
Insgesamt sind hier drei Rechtsgeschäfte abschlossen worden:
- Abschluss des Kaufvertrags (Verpflichtungsgeschäft),
- Einigung über die Eigentumsübertragung der Uhr von Frau Grundeis an Herrn Dingers (erstes Erfüllungsgeschäft) und
- Einigung über die Eigentumsübertragung des Geldes von Herrn Dingers an Frau Grundeis und Übergabe des Geldes (zweites Erfüllungsgeschäft).
2.2 Steuerliche Folgen
Im Folgenden werden beispielhaft steuerliche Konsequenzen aus zivilrechtlichen Regelungen dargestellt.
2.2.1 Umsatzsteuer
Das Umsatzsteuergesetz (UStG) definiert in § 3 Abs. 1 UStG, dass grundsätzlich eine Lieferung vorliegt, wenn die Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft wird. Damit legt das UStG genau fest, an welchen Vorgang bei einer Lieferung umsatzsteuerliche Konsequenzen geknüpft werden. In der Regel ist dies identisch mit der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübertragung.
Zeitpunkt der Übertragung des Eigentums
Die Umsatzsteuer würde – vorausgesetzt Frau Grundeis ist umsatzsteuerpflichtig, im obigen Fall grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entstehen, in dem die Übertragung des Eigentums stattfand, also mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in den der 5. Januar 2019 fällt. Nicht entscheidend ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags.
Neben der Frage, wann ein ...