1. Begriff des Wohnsitz
An den Wohnsitz werden die verschiedensten Rechtsfolgen geknüpft. Er stellt den wichtigsten örtlichen Anknüpfungspunkt für die Rechtsverhältnisse des Menschen dar.
Was aber im Einzelnen unter einem Wohnsitz zu verstehen ist, ist innerhalb der Rechtsordnung nicht einheitlich geregelt. Es ist deshalb stets zu prüfen, wie für den konkreten Fall der Begriff "Wohnsitz" definiert wird.
1.1 Wohnsitz im Sinne des BGB
Der Wohnsitz wird dort begründet, wo sich der räumliche Schwerpunkt (Mittelpunkt) der gesamten Lebensverhältnisse einer Person befinden. Dies geschieht
- durch ein tatsächliches Niederlassen an einem bestimmten Ort.
- Außerdem setzt der Wohnsitz einen Begründungswillen der Betroffenen voraus, d. h. die Betroffenen müssen eine Entscheidung zugunsten des einzelnen Ortes, diesen zum Schwerpunkt des Lebens zu machen, treffen. Daran fehlt es beispielsweise bei Strafgefangenen, die unabhängig von ihrem Willen in einer Strafvollzugsanstalt untergebracht werden. Da es sich hierbei um eine Willenserklärung handelt, können minderjährige Kinder und andere nicht voll Geschäftsfähige grundsätzlich nicht ohne gesetzliche Vertretung einen Wohnsitz im Sinne des BGB begründen (vgl. dazu im Einzelnen weiter unten). Ausnahmen gelten für minderjährige und geschiedene Personen.
1.2 Unterschied zum Wohnsitzbegriff der AO: Wohnraum statt kleinste politische Einheit
Im Gegensatz zum Wohnsitzbegriff in § 8 AO ist mit Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB die kleinste politische Einheit, d. h. in der Regel die Gemeinde, in der die Wohnung liegt, gemeint und nicht die Wohnung selbst. Nach § 8 AO sind mit Wohnsitz im Steuerrecht die objektiv zum Wohnen geeigneten Wohnräume gemeint. Hierfür genügt eine bescheidene Bleibe. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit im Sinne des Bewertungsgesetzes. Der Wohnsitzbegriff im Sinne der AO stellt allein auf die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse ab; die Frage des für den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff notwendigen Begründungswillens wird im Steuerrecht nicht gestellt.
Die Anknüpfung an die Räumlichkeiten und nicht nur an die kleinste politische Einheit macht in Steuerverfahren auch Sinn. Denn mit dem Wohnsitz im steuerlichen Sinn wird beispielsweise das für die Einkommen- und Erbschaftsteuer zuständige Wohnsitzfinanzamt bestimmt, wie § 19 Abs. 1 AO zeigt. Würde damit nur die politische Einheit festgelegt, bestünden Zuordnungsschwierigkeiten bei der Bestimmung des zuständigen Finanzamts, wenn es in einer Gemeinde, wie dies bei größeren Gemeinden häufig der Fall ist, mehrere Finanzämter gibt.
Trotzdem stimmen in der Regel der bürgerlich-rechtliche, aufgrund einer Willenserklärung des Steuerpflichtigen von ihm selbst bestimmte Wohnsitz und der steuerlich maßgebliche Wohnsitz überein. Deshalb kann die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde im Allgemeinen als Indiz dafür angesehen werden, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter der von ihm angegebenen Anschrift begründet oder aufgegeben hat. Aber die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde hat keine unmittelbare steuerliche Wirkung auf die Frage des Wohnsitzes im steuerlichen Sinne, sondern ihr kommt lediglich Indizwirkung zu. Die polizeiliche Meldung ist für den steuerlichen Wohnsitzbegriff letztendlich nicht entscheidend.
Prüfung des Wohnsitzes
Nur wenn sich im Einzelfall Besonderheiten hinsichtlich des Wohnsitzes ergeben, sollte geprüft werden, ob der melderechtliche Wohnsitz mit dem steuerlichen übereinstimmt. Praktisch bedeutsam kann dies werden, wenn es beispielsweise um die Frage der doppelten Haushaltsführung, die Berechnung der Entfernungspauschale oder um die Frage geht, wem den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG zusteht, da es gem. § 24b Abs. 1 Sätze 2 ff. EStG auf die Meldung des Kindes ankommt.
1.3 Ordnungsbehördliche Meldung
Der ordnungsbehördlichen Meldung kommt in bestimmten Fällen eine wichtige Bedeutung zu, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen.
Die Meldegesetze der einzelnen Bundesländer schreiben vor, dass jede Bürgerin und jeder Bürger grundsätzlich innerhalb von 2 Wochen nach Begründung eines neuen Wohnsitzes verpflichtet ist, diesen anzumelden.
Wahlrecht
Um an einer Wahl zu einem Parlament teilnehmen zu können, muss der Wahlberechtigte in ein Wahlverzeichnis aufgenommen werden. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die wahlberechtigte Person in der entsprechenden Gemeinde ordnungsbehördlich gemeldet is...