Rückstellungen für Gewährleistung: Einfluss der Schuldrechtsreform
Die Schuldrechtsreform, die zum 1.1.2002 in Kraft trat, hat das ganze Schuldrecht, vor allem aber das Kaufrecht reformiert. So wurde die Systematik der Gewährleistungshaftung im Kaufrecht neu geregelt und an die bis dahin schon geltenden Werkvertragesregeln angepasst. Außerdem wurde das Verjährungsrecht völlig neu gestaltet. Während die Regelverjährung, also die Verjährungsfrist, die zur Anwendung kommt, wenn keine besonderen Vorschriften eingreifen, von 30 Jahren auf drei Jahre verkürzt wurde, wurden die gesetzlichen Gewährleistungsfristen im Kaufrecht von sechs Monaten auf zwei Jahre verlängert. Beim Verbrauchsgüterkauf, der nach §§ 474 ff BGB n. F. vorliegt, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmen eine bewegliche Sache kauft, ist neben der Verlängerung der Verjährungsfrist eine Beweislastumkehr für die ersten sechs Monate nach § 476 BGB eingeführt worden. Danach wird grundsätzlich vermutet, dass ein Mangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe des Gegenstandes bzw. seit dem Gefahrübergang zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorlag. Es ist dann Sache des Verkäufers, nachzuweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war. Gelingt der Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des Verkäufers. Zeigt sich der Mangel erst nach Ablauf von sechs Monaten, muss der Verbraucher nachweisen, dass der Verkäufer mangelhaft geliefert hatte.
Vertragsrecht
1 Auswirkungen auf die Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten
Gewährleistungsrückstellungen sind für vertragliche oder gesetzliche Gewährleistungsansprüche des Käufers auf Nachbesserung bzw. Nacherfüllung, Minderung oder/und Schadensersatz zu bilden. Soweit die Ansprüche bis zur Aufstellung der Bilanz bekannt geworden sind und die Inanspruchnahme wahrscheinlich ist, sind Einzelrückstellungen zulässig.
Schwieriger ist die Ermittlung für noch nicht bekannt gewordene Schäden oder Mängel. Hier sind Pauschalrückstellungen bilden, die auf Grundlage von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit gebildet werden, also einer Schätzung bedürfen. Die vorzunehmenden Schätzungen müssen sich daran orientieren, dass eine entsprechende Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Hat die Mandantin/der Mandant im Rahmen des Zulässigen die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren vertraglich auf 1 Jahr verkürzt, ist diese Regelung bei der Ermittlung der zu bildenden Rückstellungen ebenso zu berücksichtigen, wie wenn im Rahmen des Zulässigen der Gewährleistungsanspruch als solcher eingeschränkt worden ist.
2 Sach- und Rechtsmängel im Kaufrecht
Im Folgenden wird ein Überblick über die Mängel- bzw. Gewährleistungsansprüche gegeben, soweit dies für die Ermittlung der Rückstellungen, insbesondere für die aus der für den Verkäufer regelmäßig bestehenden Nacherfüllungspflicht nach § 439 Abs. 1 BGB von Bedeutung ist.
Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Eine Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmangel gibt es nicht. Für die Frage der Rückstellungen hat der Rechtsmangel allerdings grundsätzlich gegenüber dem Sachmangel nur geringe Bedeutung. Wird die Sache mangelhaft geliefert, stellt dies einen Verstoß gegen kaufvertragliche Pflichten dar. Besonderheiten gelten für Verbrauchsgüterkaufverträge. Für den Verbrauchsgüterkaufvertrag gilt zusätzlich nach §§ 474 ff. BGB, dass die gesetzlichen Bestimmungen des allgemeinen Kaufrechts grundsätzlich nicht durch Vertrag, insbesondere nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen zum Nachteil der Verbraucherin/des Verbrauchers (= kaufende Partei) abgeändert werden können. Das bedeutet aber auch zugleich, dass die gesetzlichen Regelungen grundsätzlich vertraglich auch zum Nachteil der Käuferin/des Käufers modifiziert werden können, wenn es sich bei dem Kaufvertrag nicht um einen Verbrauchsgüterkaufvertrag handelt.
Waren an andere Unternehmen für deren Unternehmen
Mandantinnen und Mandanten, die ihre Waren an andere Unternehmen für deren Unternehmen verkaufen, sind nicht durch die Regelungen über die Verbrauchsgüterkaufverträge eingeschränkt.
2.1 Wann liegt ein Sachmangel vor?
Der Sachmangel ist in § 434 BGB ausführlich geregelt. Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Ist die Beschaffenheit der Sache nicht geregelt worden, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie
- sich entweder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder
- ansonsten sich für die gewöhnliche Verwendung eignet.
Ein Sachmangel liegt insbesondere vor, wenn die Sache nicht die vereinbarte bzw. übliche Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 BGB aufweist. Darüber hinaus liegt ein Sachmangel auch vor, wenn
- nach der sog. "Ikea-Klausel" in § 434 Abs. 2 Satz 1 BGB die Sache durch die Verkaufspartei bzw. den Gehilfen unsachgemäß montiert wurde oder
- wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, es gelingt trotzdem, den gekauften Gegenstand richtig zu montieren, vgl. § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB oder
- eine falsche Sache (sog. Aliud-Lieferung) oder
- eine zu geringe Menge geliefert wird.