Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen das Finanzamt auf Einsicht in die Steuerunterlagen der Insolvenzschuldnerin

 

Normenkette

IFG Berlin § 3 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 11.05.2011; Aktenzeichen 36a IN906/11)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Finanzamtes für Körperschaften III vom 9. Juni 2011 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 8. August 2011 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in den bei 9m Finanzamt für Körperschaften III bis zum 18. Mai 2011 geführten Kontoauszug betreffend die A.T.A. Dönerproduktion GmbH durch Übersendung des Kontoauszuges zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund es Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist durch Beschluss des AG Charlottenburg v. 11.5.2011 – 36a IN 906/11 – zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der A Dönerproduktion GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) bestellt. Die im Jahr 2008 gegründete Insolvenzschuldnerin hatte im Oktober 2008 bereits Steuerrückstände i.H.v. rd. 37.400 EUR; eine geordnete Buchführung bestand nicht.

Mit Schreiben v. 18.5.2011 beantragte der Kläger gegenüber dem Finanzamt für Körperschaften III die Übersendung eines „aktuellen K-Auszuges” der Insolvenzschuldnerin. Hierzu verwies er auf die Rechtsprechung des BVerwG, wonach Bestimmungen der InsO und AO über die Erteilung von Auskünften keine Regelungen seien, die dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG Bund – vorgingen. Erst recht müsse dies, wie der Kläger mit Schreiben v. 1.6.2011 ergänzte, im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes Berlin – IFG Berlin – gelten. Denn dieses enthalte keine der Regelung des IFG Bund vergleichbare Subsidiaritätsklausel.

Mit Schreiben v. 9.6.2011 lehnte das Finanzamt den Informationszugang (wiederholt) ab. Zur Begründung führte es aus, dass die allgemeinen Regelungen der verschiedenen IFG auf Länderebene hinter die speziellen Negativregelungen der InsO und der AO zurückzutreten hätten. Bei der Entscheidung, ob einem Antragsteller Akteneinsicht gewährt oder Auskünfte erteilt werden könnten, handele es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung. Ein berechtigtes Interesse liege aber gerade dann nicht vor, wenn die Auskünfte oder die Akteneinsicht dazu dienten, im Wege einer Insolvenzanfechtung zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen.

Hiergegen legte der Kläger entsprechend der dem Schreiben erstmals beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Einspruch ein, den das Finanzamt für Körperschaften III durch Einspruchsbescheid v. 8.8.2011, zugestellt am 10.8.2011, zurückwies. Dem Kläger stünden in Form von Bescheiden und Buchungsmitteilungen, die er sich in zumutbarer Weise von der Insolvenzschuldnerin beschaffen könne, bereits alle Informationen zur Verfügung. Es sei nicht Aufgabe des Finanzamts, die Buchführung der Insolvenzschuldnerin zu ordnen.

Der Kläger hat am 7.9.2011 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von PKH für ein auf Informationserteilung gerichtetes Klageverfahren gestellt. Auf die in diesem Verfahren erhobene Rechtswegrüge des Beklagten hat die Kammer durch Beschl. v. 28.10.2011, bestätigt durch Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg v. 9.3.2012 – OVG 12 L 67.11, […], festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die Kammer hat dem Kläger ferner durch Beschl. v. 28.10.2011 PKH bewilligt. Dieser Beschluss ist dem Kläger am 7.11.2011 zugestellt worden.

Der Kläger hat hierauf am 9.11.2011 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er stützt sich auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des OVG NRW v. 15.6.2011 – 8 A 1150.10 – zum Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach § 4 IFG NRW, die durch Beschluss des BVerwG v. 14.5.2012 – BVerwG 7 B 53.11, […], bestätigt worden ist. Danach werde ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend ggf. einen Anfechtungsanspruch durchsetzen wolle, vom Regelungsbereich der AO gerade nicht umfasst. Der Kläger sei im vorliegenden Fall nicht Beteiligter eines steuerrechtlichen Verfahrens i.S.v. § 78 AO, sondern vertrete die Masse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Finanzamtsfür Körperschaften III v. 9.6.2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides v. 8.8.2011 zu verpflichten, ihm Einsicht in den bis zum 18.5.2011 beim Beklagten geführten Kontoauszug für die frühere Steuerschuldnerin A Dönerproduktion GmbH durch Übersendung dieses Kontoauszuges zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger das in § 14 Abs. 3 IFG Berlin vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt habe. Der Ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge