Leitsatz
* Ungeklärte Vermögenszuwächse beim Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH berechtigen bei der GmbH grundsätzlich nicht zur Schätzung nicht verbuchter Betriebseinnahmen und damit zum Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist insoweit prinzipiell auch nicht verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Die Frage nach der Herkunft derartiger Mittel fällt in den persönlichen Wissensbereich des Geschäftsführers; dieses Wissen kann der Gesellschaft nicht ohne weiteres als eigenes zugerechnet werden.
*Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Gegenstand des Unternehmens der am 1.1.1987 errichteten Klägerin, einer GmbH, ist der Handel. Sie führte die Geschäfte der seit 1973 betriebenen Einzelfirma IR fort. IR ist ihre alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin.
Am 24.6.1997 fand sowohl bei der Klägerin als auch bei IR eine Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume statt, in deren Anschluss eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt wurde. Anlässlich der Durchsuchung wurde eine Gesamtengagement-Aufstellung der X-Bank, Luxemburg, vom 17.3.1997 über Wertpapiere im Wert von mehr als 2 Mio. DM gefunden. Bei der Tochter von IR wurde ein Kontoauszug der B-Bank, Luxemburg, vom 6.3.1997 mit einer Festgeldanlage DM gefunden. Außerdem wurde eine Bareinzahlung vom 7.7.1990 in Höhe von ca. 600 000 DM bei der X-Bank, Filiale Frankfurt, festgestellt, die als Einzahlerin AW auswies. Aufgrund dieser Feststellungen schätzte der Fahndungsprüfer und ihm folgend das FA der Klägerin für die Streitjahre 1987 bis 1997 entsprechende Einnahmen hinzu und behandelte diese als vGA.
Die Klage gegen die entsprechend geänderten Steuerbescheide blieb weitgehend erfolglos (EFG 2002, 1145).
Entscheidung
Der anschließenden Revision gab der BFH hingegen statt. Es sei nicht auszuschließen, dass die ungedeckten Vermögenszuwächse von der IR in eigenem Namen und für eigene Rechnung erwirtschaftet worden seien, sei es vor Gründung der Klägerin, sei es danach. Dass die IR womöglich ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe, schlage deshalb auf die Klägerin nicht ohne weiteres durch. Die zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter maßgebliche sog. Trennungstheorie betreffe sowohl die materiell- wie die verfahrensrechtliche Seite.
Hinweis
Neuerdings versuchen die Finanzbehörden, ungeklärte Vermögenszuwächse, die sie beim Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, vorzugsweise einer GmbH, aufspüren, "sphärenübergreifend" der Gesellschaft als Einnahmen hinzuzuschätzen und sie sodann in vGA umzuqualifizieren. Das erscheint in vielen Fällen in gewisser Weise verständlich, weil vielleicht allein die Tätigkeit der Gesellschaft als probate Einkunftsquelle infrage kommen mag.
Solch verdächtiger Anhaltspunkt zum Trotz gilt aber dennoch die prinzipielle Trennung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter. Infolgedessen kann vom Gesellschafter in seiner Funktion als Geschäftsführer auch nur verlangt werden, dass er Auskunft über etwaige Vermögenszuwächse der Kapitalgesellschaft gibt. Sein "Wissen" über ungedeckte Einnahmen, die bei ihm selbst festgestellt werden, braucht er im Hinblick auf die Gesellschaft nicht preiszugeben. Verletzt er insofern seine Mitwirkungspflichten, dann muss das FA sich deshalb an ihn selbst halten. Es kann die Einnahmen nicht schlechterdings der Gesellschaft zurechnen. Das ist nur dann gerechtfertigt, wenn sicher feststeht, dass es sich tatsächlich um Einnahmen der Kapitalgesellschaft handelt.
Summa summarum droht für die Finanzbehörden damit, wie nicht verkannt sei, oftmals eine gewisse Zwickmühle: Da sie hier wie dort die objektive Beweislast trifft, besteht aus ihrer Sicht auch hier wie dort die Gefahr, auszufallen.
Fazit: Lassen Sie sich also nicht vorbehaltlos auf ein entsprechendes behördliches Vorgehen ein. Sie können in diesem Zusammenhang auch auf einschlägige jüngere FG-Urteile verweisen, in denen die Dinge genauso gesehen werden, wie jetzt vom BFH: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.2.1996, 1 K 2212/92, EFG 1996, 834; FG München, Urteil vom 25.1.2000, 7 K 5220/97, nv; FG Köln, Urteil vom 25.7.2002, 13 K 2889/02, EFG 2003, 6.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2003, I R 52/02 (NV)