Rechtskraft nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer. Grundsteuererlass. Erlassgrund. Ertraglosigkeit. Leerstand. ehemalige militärische Wohnsiedlung. atypischer Umstand
Leitsatz (amtlich)
1. Ertragsminderungen rechtfertigen einen Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nur dann, wenn sie auf außergewöhnlichen, atypischen Umständen beruhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.4.2001, DVBl. 2001, 1368 = DÖV 2001, 820). Ein nachhaltiger und dauerhafter Leerstand wie hier im Falle einer ehemaligen militärischen Wohnsiedlung der USStreitkräfte kann deshalb nicht als Erlassgrund geltend gemacht werden.
2. In den §§ 32, 33 GrStG ist abschließend geregelt, in welchen Fällen eine sachliche Unbilligkeit wegen Ertraglosigkeit vorliegt. Daher kommen eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf weitere, gesetzlich nicht geregelte Sachverhalte oder ein Rückgriff auf die §§ 163, 227 AO nicht in Betracht.
Normenkette
GrStG § 33; AO §§ 163, 227
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 10.12.1999; Aktenzeichen 10 K 2838/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 1999 – 10 K 2838/99 – teilweise geändert. Die Klage wird auch abgewiesen, soweit sie den von der Klägerin begehrten Grundsteuererlass zum Gegenstand hat.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten bezüglich der erstinstanzlichen Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt einen Grundsteuererlass für mehrere Anwesen, die in einer ehemaligen Wohnsiedlung der amerikanischen Streitkräfte liegen.
Nach ihrem Abzug gaben die amerikanischen Streitkräfte die Wohnsiedlung Pattonville am 27.8.1993 an die Klägerin zurück. Die streitbefangenen Anwesen lagen ursprünglich auf der Gemarkung der Gemeinde Remseck; als Folge eine Markungstausches befinden sie sich seit 1994 auf der Gemarkung der Beklagten. Mit Vertrag vom 21.12.1994 veräußerte die Klägerin die gesamte Wohnsiedlung Pattonville einschließlich der streitbefangenen Anwesen an den Zweckverband „Pattonville-Sonnenberg-Siedlung”, der von der Beklagten sowie den Gemeinden Remseck und Ludwigsburg gebildet worden war. Besitz, Nutzen und Lasten gingen zum 1.1.1995 auf den Erwerber über. Zwischen der Rückgabe durch die US-Streitkräfte am 27.8.1993 bis Ende 1994 stand die gesamte Wohnsiedlung leer.
Aus Anlass des Eigentümerwechsels setzte das Finanzamt Ludwigsburg mit Bescheiden vom 30.1.1996 den Grundsteuermessbescheid für die Anwesen mit Wirkung zum 1.1.1995 fest. Je nach vorheriger Nutzung wurden die Anwesen teilweise als Geschäftsgrundstücke, teilweise als unbebaute Grundstücke, überwiegend aber als Mietwohngrundstücke eingestuft.
Mit Grundsteuer-Änderungsbescheiden vom 7. und 21.3.1996 zog die Beklagte die Klägerin für die Anwesen Pattonville 938, 939, 942 bis 947, 950, 951 und 956 bis 963 zu einer Grundsteuer von insgesamt 52.451,10 DM heran.
Mit Schriftsatz vom 2.4.1996 – bei der Beklagten am 4.4.1996 eingegangen – erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Grundsteueränderungsbescheide und beantragte die Aussetzung der Vollziehung sowie den Erlass der Grundsteuer für 1994.
Mit Bescheiden vom 22.7.1996 lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung und Erlass der Grundsteuer ab. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, und zwar mit Schreiben vom 15.8.1996 (Eingang bei der Beklagten am 16.8.1996).
Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin bezüglich ihrer Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und Erlass der Grundsteuer mit Widerspruchsbescheiden vom 27.1.1997 – zugestellt am 30.1.1997 – zurück.
Die Klägerin hat am 24.2.1997 hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vortragen lassen: Vom 27.8.1993 bis zum 31.12.1994 habe für die Wohnsiedlung Pattonville der Zustand völliger Ertraglosigkeit bestanden, den die Klägerin nicht zu vertreten gehabt habe. Nach der Freigabe der Siedlung durch die US-Streitkräfte sei der Klägerin eine Zwischennutzung bis zur Veräußerung an den Zweckverband nicht möglich gewesen. Dafür hätten schon die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen gefehlt, denn die Wohnsiedlung Pattonville sei bauplanungsrechtlich ein „Sondergebiet Bund” gewesen. Obwohl durch die Rückgabe eine faktische Entwidmung aus der militärischen Zweckbestimmung erfolgt sei, habe die zuständige Baurechtsbehörde nicht über eine Nutzungsänderung entschieden. Die Beklagte habe somit in ihrer Eigenschaft als untere Baurechtsbehörde einer wirtschaftlichen Nutzung der Wohnsiedlung die Zustimmung versagt. Der Zweckverband ha...